bewirkt hier eine
unnötige Enge der Begriffsbildung, die der allgemeinen Praxis widerspricht. Eine
Erkennbarkeit von rhythmischen Motiven in metrisch offener Musik, wie Rezitativen
oder gregorianischen Chorälen, ist unbestritten, aber Riemanns System erlaubt nicht, sie
sinnvoll zu beschreiben.
2.4.3. Schenkersche Analyse
Eine Form der Musikanalyse, für die die Formalisierung besonders naheliegend
erscheint, ist die sog. Reduktionsanalyse nach Heinrich Schenker. Die Schenkersche
Analyse ist im angloamerikanischen Raum weit verbreitet. Sie ist auch häufig als
Grundlage computergestützter Analyse verwendet worden. Diese Form der
Analyse beschreibt ein Musikstück durch die Reduktion auf einen sogenannten
Ursatz.64
Der Ursatz ist eine zweistimmige Folge von Tönen, eine einfache Kadenz, auf die sich ein
Stück in zwei Schritten zurückführen läßt. Die komponierte Musik stellt den
Vordergrund dar, der im ersten Schritt auf den Mittelgrund zurückgeführt wird, einer
bereits stark reduzierten Darstellung. Dieser wird dann auf den Hintergrund, den Ursatz
zurückgeführt. D.h. es wird in wichtige und weniger wichtige Töne eingeteilt, deren
Bestimmung wesentlich nach tonlicher Nähe und metrischer Position unter Bevorzugung
der Außenstimmen und durch harmonisches Wissen erfolgt. Das Ergebnis der Reduktion
ist im Mittelgrund und Hintergrund eine Beschreibung der Beziehung zentraler Töne.
Dabei beschäftigt Schenker sich weniger mit der horizontalen Aufteilung in Motive
als mit der Verbindung strukturell wichtiger Noten in Bereichen, die häufig
relativ groß sind und mehrere Takte bis hin zu einem ganzen Werk umfassen
können.
Rhythmische Aspekte gehen in die Analyse kaum ein, die Tonhöhe und der harmonische
Zusammenhang stehen im Mittelpunkt, für Schenker ist die »Rhythmik an die Kontrapunkte
gebunden«65
.
Die Schenkersche Analyse ist daher keine echte Hierarchisierung, die eine Baumstruktur
definiert und jede Note einem Motiv und dieses wieder einer Phrase zuordnet, sondern
eher eine Beschreibung melodisch-harmonischer Zentren und stellt insofern einen
Gegenpol zu Riemanns System dar. Schenker grenzt sich deutlich von Riemanns Theorie
ab und plädiert für eine flexible Sicht metrisch-rhythmischer Verhältnisse: »Alle Lehren
der Metrik gehen somit fehl, wenn sie [...] im einmal aufgestellten metrischen Schema
forttrotten.«
66
2.5. Definitionen grundlegender Begriffe
Die Begriffsbildung in der Musikwissenschaft ist in den meisten Fällen stark subjektiv
geprägt und selbst Gegenstand der Veränderung und Interpretation. Eine objektive
Begriffsbildung und eine geeignete Repräsentation des Gegenstandes sind aber
Voraussetzung für ein implementierbares Modell musikalischer Strukturen. Da die im
vorigen Abschnitt angesprochenen Konzepte grundlegend für die weiteren Teile
dieser Arbeit sind, werden hier zunächst einige Grundbegriffe, die in dieser