- 21 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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werden sollte und bis zu welchem Wert dies evtl. nicht geschehen darf. Die Frage ist auch, was bei gleichen Abständen oder einander widersprechenden Prinzipien geschieht.

Bereits Riemann weist auf die Mehrdeutigkeit des Notentextes hin und fordert, die gewünschte Phrasierung in den Noten durch die von ihm vorgeschlagenen Lesezeichen (Phrasierungszeichen) und Phrasenbögen klarer zu dokumentieren.40

40 Riemann (1884, S. 9).

Die Kennzeichnung der Phrasierung in der Notation hat aber keine allgemeine Verbreitung gefunden. Möglicherweise konnten sich Theorien und Vorschriften der Phrasierung nicht durchsetzen, weil die Entscheidung über die Phrasierung durch den Interpreten getroffen wird. In diesem Bereich künstlerischer Freiheit werden Theorien, insbesondere wenn sie normativ formuliert sind, oft als Einschränkung empfunden. Es besteht auch bei der Wahl einer passenden Phrasierung für den Interpreten nicht der Erklärungsbedarf, wie bei harmonischen Phänomenen, wo eine Umsetzung der Wahrnehmung oder Vorstellung in aktives Komponieren oder Musizieren ungleich schwieriger ist.

Riemann beschreibt ebenso wie Hauptmann Zweiergruppen als den Ursprung rhythmischer Formen. Riemann geht von einer Dominanz des Musters leicht–schwer aus und definiert so den Auftakt als Norm. Hauptmann spricht von metrisch positiven und metrisch negativen Bildungen, je nachdem ob die erste Note betont oder unbetont ist. Die Ausschließlichkeit, mit der Hauptmann die Rückführung auf Zweiergruppen auch bei Gruppen von drei Noten vornimmt, kritisiert Riemann und geht pragmatischer vor, indem er verschiedene Motivtypen als elementar zuläßt, auch solche mit drei Noten. Dabei stellt sich allerdings die Frage, was vor diesem Hintergrund die Aussage bedeutet, daß die Zweiergruppe den Ursprung rhythmischer Motive darstelle. Die Rückführung auf Zweiergruppen ist vermutlich eher aus dem Wunsch entstanden, ein geschlossenes begriffliches System zu entwerfen, als aus musikalischer Intuition oder Praxis.

Die griechische Versmetrik bot bereits ein System der Klassifikation von Motiven, das von einigen Musiktheoretikern aufgegriffen wurde. Während Hauptmann und Westphal das griechische System der Versfüße und die Terminologie übernommen hatten, lehnte Riemann dies ab. In Musikalische Dynamik und Agogik begründete er dies damit, daß die Sprache kein ununterbrochenes Fortklingen wie in der Musik kenne.41

41 Riemann (1884, S. 35).

In System der Rhythmik und Metrik stellte er sich auf den Standpunkt, die Musik sei ein allgemeinerer Fall, da sie beliebige Unterteilungen der Schläge kenne, die es in der Sprache nicht gebe.42

42 Riemann (1903, S. VIII).

Ob und in welcher Form sich die griechische Versmetrik auf Musik übertragen ließe, blieb ein Streitpunkt und ist eng mit der Frage der Sprachähnlichkeit von Musik verknüpft.

Theodor Wiehmayer erhält in Musikalische Rhythmik und Metrik die Einheit poetischer und musikalischer Metrik aufrecht, indem er das Konzept des deklamatorischen Akzents einführt.43

43 Wiehmayer (1917, S. X).

Damit soll das Problem der möglichen Abweichung der metrischen von der motivischen Betonung durch die Definition verschiedener

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