»Acid Trax«-Produktion von Phuture, die der Chicagoer
House-DJ Ron Hardy erst als Kassettenversion dem Publikum präsentierte,
bevor die Produzenten sie als Maxischallplatte auf den Markt brachten (siehe
Acid-House-Kapitel).
»Die Wirkung von Clubmusik wird oft anhand von Dubplates getestet. Ein Dubplate
ist eine schwere, kühle und angenehm duftende Schallplatte aus einer Lacklegierung,
von der in den Masterstudios ein Einzelexemplar hergestellt wird, das bis zu
vierzigmal abgespielt werden kannn. Besonders beliebt sind Dubplates mit reinen
Rhythmustracks bei DJs, die ihre Sets auf diese Weise mit eigenen Produkten
unterlegen und für gezielte (. . . ) Mixvorgänge schaffen. Wenn ein Dubplate gut beim
tanzenden Publikum ankommt, dann ist der Verkauf der späteren Auflage so gut wie
gesichert.«31
31 Budde: Elektronische Tanz- und Unterhaltungsmusik. A.a.O., S. 67.
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Deutlich wird zudem, dass es nicht nur ›die eine Tanzbarkeit‹ von Techno gibt,
sondern dass sich der funktionale Rahmen an sehr unterschiedlichen Adressaten- bzw.
Zielgruppen orientiert. Wie auch aus der Beschreibung musikalischer Charakteristika und
der Entstehung wesentlicher Subkategorien von Techno hervor geht, richtet sich der
musikalische Ausdruck von Techno nach den Bedürfnissen verschiedener Szenen:
Ambient ist z.B. für das Chill-Out, also zum Ausruhen, gedacht, kann somit unabhängig
vom Faktor der Tanzbarkeit betrachtet werden. Die Zielgruppe ist sehr heterogen, lässt
sich jedoch unter der Sichtweise des Bedürfnisses nach Entspannung und Ruhe gut
zusammenfassen. Entscheidend bei der Produktion sind hier langsame, ruhige, d.h.
beruhigende Klänge. Einen krassen Gegensatz dazu bildet sicher Gabber / Hardcore,
einst musikalischer Ausdruck ›verfeindeter Klassen‹: In den sozialen Grabenkämpfen
zwischen Fans zweier holländischer Fussballmannschaften liegen die Wurzeln
dieser Musikrichtung, deren Funktion es ist, immer schneller und härter als
alles andere zu sein, also Präsenz und Stärke zu demonstrieren. Dies drücken
Gabber- bzw. Hardcore-Produzenten in superschnellen Tempi, harten Samples
und Beats sowie ›dreckigen‹ (extrem verzerrten oder verfremdeten) Sounds
aus.32
32 In vielen Kulturen werden soziale Konflikte in musikalischen Wettkämpfen ausgetragen:
Streitende Eskimos sangen gegeneinander Spottlieder oder Afroamerikaner rappen in
verfeindeten HipHop-Gangs gegeneinander und provozieren sich gegenseitig mit
schlimmsten Schimpfworten: die Zuschauer entschieden, wer besser musikalisch
argumentiert. Vgl. Heister. In: Bruhn / Rösing: Musikwissenschaft. A.a.O., S.
213.
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House, die eindeutig älteste aller Techno-Richtungen, beruht auf
dem Modell des Discosounds, der traditionelle afroamerikanische
Funk-Elemente33
33 »Charakteristisches Kennzeichen blieben die flexiblen Basslinien, der federnde Beat und
das rhythmische Ineinanderschachteln kurzer melodischer Floskeln«. Wicke /
Ziegenrücker. A.a.O., S. 189.
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und den treibenden 4/4- Beat des Philly-Sound miteinander vereint. House-Macher
intendieren mit ihrer Musik körperlichen Selbstausdruck im hemmungslosen
Tanzvergnügen. Die Voraussetzung dafür schaffen die Tonkünstler, indem sie den
typischen Disco-Sound potenzieren, d.h. einerseits dem pulsierenden Beat eine noch
größere Präsenz durch Schlagzeug und Bass verleihen, andererseits Samples erotischer
und zugleich melodiöser Frauenstimmen sowie ein klares harmonisierendes Piano
hinzufügen.
Die Funktionalität vieler Technotracks ist determiniert durch die Fühlbarkeit von
Klängen, die Musiker aus ihrem Wissen für Wirkung heraus entstehen lassen.
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