»When I heard Frankie Knuckles play, and I saw the way people reacted,
danced and sang to the song (. . . ) I knew this was something special. Not just
being a DJ and playing music and being on a mission, but playing music with
love.«28
28 May, Derrick in: Sicko. Techno-Rebels. A.a.O., S. 78.
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Aus diesem zitierten Interview, das Dan Sicko mit Derrick May führte,
geht anschaulich hervor, dass die Interaktion zwischen Techno-Machern,
in diesem Fall dem DJ, und ›Techno-Teilnehmern‹, d.h. den Hörern, eine
wichtige Rolle spielt. Daraus lässt sich schließen, dass auch die kompositorische
Produktionshandlung von Techno stark geprägt ist von einer Wechselwirkung zwischen
dem Rezipienten und dem Musiker, der letztendlich wieder selbst aus seinem
Erfahrungsfundus als Hörer von Techno schöpft. Er kann daher einschätzen, wo die
Wirkung29
29 Die im Folgenden kursiv gedruckten Begriffe sind in einer schematischen Darstellung
über einzelne Schritte der Techno-Produktion am Ende dieses Kapitels zusammengefasst
und dargestellt.
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seiner Musik liegt – sie also bildet einen Aspekt des intentionalen Gerüsts, vor dem er
einen Techno-Track komponiert und produziert. Die direkte Ebene der Wirkung von
Techno ist zunächst gekennzeichnet von den Faktoren der Fühlbarkeit (Physis), der
Tanzbarkeit, und des Spaßes, den Technomacher mit ihrer Musik intendieren. Auch geht
es darum, Gefühle anzusprechen (Psyche) und Menschen zu erreichen – dies kann auf
unterschiedliche Weise geschehen, sei es durch eine Leitidee oder durch einen
bevorzugten Sound. Die beabsichtigte körperliche Fühlbarkeit verweist auf einen
konkreten, funktional determinierten Weg der Verarbeitung musikalischer Vorstellungen
in reale Klänge. Ihre Transformation in Musik splittet sich bei Techno in zwei
Komponenten auf: Die eine beruht auf dem Einsatz bestimmter Klänge, die zuweilen im
Hörbereich kaum mehr wahrnehmbar sind, jedoch körperlich ihre Wirkung
tun,30
30 Hier sei auf eine Studie von Klaus-Ernst Behne verwiesen, derzufolge es verschiedene
jugendliche Hörertypologien gibt. Bei Techno müsste demnach einerseits das vegetative
Hören ausschlaggebend sein, d.h. das von den Hörern beschriebene subjektive Gefühl
einer körperlichen Wirkung wie Herzbeschleunigung, Kribbeln unter den Füßen, dumpfes
Gefühl im Bauch, etc., andererseits ist es das motorische Hören, d.h. das unmittelbare
motorische Mitgehen der Hände mit den HiHats und das Wippen der Knie mit der
Bassdrum, das sich beim Hören von Techno sofort einstellt. Vgl. Behne, Klaus-Ernst:
Hörertypologien. Zur Psychologie des jugendlichen Musikgeschmacks. Regensburg:
Bosse, 1986, S. 122ff.
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die andere liegt sicher in der von den Musikern von vornherein angelegten Tanzbarkeit,
sofern es sich nicht um experimentellen Techno handelt.
Körperliche Wirkung erzeugt in den meisten Fällen aller Club-Tracks die von
Techno-Musikern angelegte Tanzbarkeit. Die Stücke sind in ihrer Länge extensiv
und erlauben ein allmähliches sich Einfinden in die Musik. Die gängige Praxis,
bei ›Techno-Tanzveranstaltungen‹ mehrere Tracks ineinander zu mischen und
so zu überlagern, dass ein nahezu unendlich wirkender Klangfluss entsteht,
potenziert die Möglichkeit des Einschwingens in die Musik. Selbst Menschen mit
relativ wenig Hörerfahrungen können sich so auf Klänge und Struktur der Musik
einstellen und sich in ihnen dauerhaft tanzend einfinden. Spaß stellt sich per se
ein – stundenlanges Tanzen macht euphorisch, denn es setzt, wie schon im
Techno-Tanz-Trance-Kapitel (Kap. 4.3) beschrieben, Glückshormone frei. Der
funktionale Aspekt der Tanzbarkeit von Techno wird vor der Veröffentlichung der
Tracks, so ist es bei erfolgreichen Techno-Produzenten üblich, häufig auf der
›Experimentierplattform Tanzfläche‹ ausgetestet. Ein bekanntes Zeugnis dieser gängigen
Praxis ist der Durchbruch der
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