- 70 -Volkwein, Barbara: What´s Techno 
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als bislang gewohnter Sozialisierungsstrategien bedient: gemeint ist die offensichtlich neue Form der Vergemeinschaftung all jener Jugendlicher, die nicht mehr das sonst übliche Angebot von Vereinen annehmen. Sie kommen freiwillig zusammen, um aus ästhetisch und weniger gemeinnützig motiviertem Attraktivismus an der kulturellen Praxis von Techno durch zumeist kommerzielle Erlebnisangebote teilzunehmen. Klein sieht in der ästhetischen Praxis von Techno zum einen den Wandel des Begriffs des Politischen und zum anderen eine umfassende Veränderung der Kommunikationsformen, in denen Jugendliche der Körperlichkeit eine wesentliche (größere) Rolle beimessen. Zudem erwägen Meyer und daneben auch Laarmann die technologischen Neuerungen als bedeutend für eine neue Jugendkultur. Sie sollen aus diversen Gründen die musikalische Produktion und die ästhetische Artikulation demokratisiert haben: Durch die im Verhältnis zu anderer Unterhaltungsmusik ›preisgünstigen‹ Produktions- und Veröffentlichungsmethoden (im Speziellen durch das Internet) können mehr Leute Techno-Tracks produzieren. Es kommt zu einem größeren Auswurf an Neuerscheinungen und somit zu einer Steigerung der kollektiven Rezeption. Diesen von einigen Autoren fokussierten Demokratisierungsprozess innerhalb der bzw. durch die Techno-Kultur kritisiert Weber aufgrund der für viele immer noch unerschwinglichen Kosten und der steten Vereinnahmung der vermeintlich nach dem ›black-owned-Prinzip‹ verfahrenden ›techno-owned-Culture‹ durch kommerzialisierte Interessengemeinschaften (für sie sind dies Sponsoren oder Love-Parade-Veranstalter etc.). Vor diesem Hintergrund kann ohne weiteres der Anschein einer politiklosen, unsozialen Jugendgeneration aufkeimen, wie es besonders zu Beginn der Neunziger Jahre aus den Mündern vieler Kritiker zu vernehmen war.

Dies und die zuweilen skeptischen Betrachtungsweisen einer ›zu simplen‹ Musik mögen vielleicht die Ursache für etliche Interviews gewesen sein, in denen Techno-Musiker zur Bedeutung von Techno Position bezogen. Für sie verbarg sich hinter dieser Form einer offensichtlich neu scheinenden Musik die Möglichkeit, durch Techno das Bewusstsein vieler Menschen für gesellschaftliche und humane Prozesse zu öffnen. Als musikalischer Trendsetter und sogenannte Future-Music soll Techno Irritation ausüben, das Vergangene und Gewohnte überschreiten, jedoch nicht verneinen, verlautbaren Techno-Macher Derrick May und Juan Atkins. Letzterer, bekannt als Techno-Gründer, legt seiner Musik das theoretische Tofflersche Konzept ›einer Zukunft unter dem Aspekt der Vermenschlichung der Technik‹ zugrunde. So wie die Begründer von Techno-Musik beabsichtigt auch Carl Craig, durch Techno Menschen mitzureißen und einer menschlichen Entfremdung entgegenzuwirken: Techno soll Menschen für und durch Musik resensibilisieren, ist ein Wunsch, den zahlreiche Musiker in Interviews ausdrücken. Damit einher geht die Intention einiger Techno-Macher, mit Musik immer schneller werdende sowie kaum zu verkraftende gesellschaftliche Prozesse zu dokumentieren, auf sie musikalisch aufmerksam zu machen und sie letztendlich zu überwinden: Der technisierten Welt Gefühle entgegensetzen will u.a. Marshall Jefferson. Auch ›neuere‹ Formationen wie Autechre zeigen sich dieser Idee nicht verschlossen. Da die meisten Techno-Macher der ersten Stunde afro-amerikanischer Herkunft sind und heute immer noch in Amerika als Minderheit angesehen sind, ist der Wunsch des Techno-House-Musikers Kevin Saunderson nach größerem gesellschaftlichen Einfluss durch den musikalischen Erfolg nachvollziehbar.


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