Die
Musik selbst bestätigt diese Entwicklung, die gewissermaßen paradox anmutet:
Techno dokumentierte bis Mitte der 90er Jahre die von vielen Techno-Machern
intendierte Kritik an zu schnellen gesellschaftlichen Prozessen und pendelte
sich musikalisch gesehen in schwindelerregende Tempi ein, die diesen sozialen
Mangel zu entlarven versuchte. Diese Entwicklung ist durchaus als Überwindung
von Starrheit und Leistungsdruck interpretierbar. Nachdem sich jedoch auch
die Tempi wie in Gabba und im harten Techno dem Stillstand näherten und
Techno an Beliebtheit verlor, fand in der Musiker-Szene eine Rückbesinnung zu
gemäßigteren Tempi und gefühlvollerer Musik statt: Heute, Anfang des 21.
Jahrhunderts, gibt es im Techno wieder Anleihen zu lateinamerikanischen oder
jazzigen Rhythmen sowie Klängen. Auch ist es wieder zu einer Hinwendung zu
mehr Sprache oder liedhaften Strukturen gekommen. Nicht zuletzt konnte der
kommerzielle Erfolg von Techno zum gesellschaftspolitischen Erfolg beitragen:
Neue Lebensgefühle setzten sich mit Techno durch: Man kann mittlerweile
zumindest europaweit von einer Massenbewegung sprechen – wenn ein Jeff
Mills, Richie Hawtin oder Sven Väth die Plattenteller rotieren lässt, sind die
Veranstaltungen zum Bersten voll. Massen strömen auch zu den vielen Paraden
nach Muster der Loveparade, die in vielen großen westeuropäischen Städten
stattfinden. Und durch die populären Techno-Musiker der ersten Techno-Stunde ist
Detroit nach seiner langen wirtschaftlichen Dürre-Etappe für Musiker nach dem
Weggang174
von Motown-Records wieder eine Keimzelle und Hochburg afro-amerikanischer
(schwarzer) Musiker avanciert.
4.7. Zusammenfassung
Die Suche nach den musikalischen Charakteristika von Techno steht in der ersten Hälfte
des vorangegangenen Kapitels im Vordergrund. Egal, ob Techno in der ästhetischen
Beurteilung in euphorischer oder ablehnender Manier besprochen wird, findet sich eine
kurze musikbezogene Definition als gemeinsamer Nenner: Techno ist eine auf dem
Vierviertel-Takt basierende, elektronisch produzierte Tanzmusik mit repetitiven
Charakter, deren Klangvielfalt durch eingesetzte Samples und innovative (z.T.
geräuschhafte) Sounds gekennzeichnet ist.
In den Erläuterungen über Technos musikimmanente Bedeutung schälen sich der
Sound und damit zusammenhängend die neueste Produktionstechnik respektive die
Produktionsbedingungen als zwei der wichtigsten Techno-Komponenten heraus. Einen
Aspekt, den die Autoren aus sehr unterschiedlicher Perspektive betrachten,
ist das stilistische Mittel der Einbindung von Geräuschen bzw. geräuschhaft
anmutenden Klängen: Während sich für Poschardt in Techno alle ungewöhnlichen
Geräusche in das minimalistische Gleichmaß des Vierviertel-Beats reihen, spricht
Jerrentrup von einer im Klangverlauf »stumpfsinnigen und maschinengemäßen
Bassbeatdominanz«.175
175 Jerrentrup. A.a.O., S. 46.
|
Zudem machen Autoren wie Breuer und Lingner die Fremdartigkeit von Techno an den
ungewöhnlichen Klängen fest: Für sie besteht das eigentliche Wesen von Techno im
Verlust bestimmter aus der Popmusik bekannter Sounds. Lingner geht so weit, das
Nicht-Schöne in technoider Clubmusik
|