- 61 -Volkwein, Barbara: What´s Techno 
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die Musik in die gesellschaftliche Wirklichkeit eingreifen. Die neuen Klangkonstruktionen gehen einher mit dem Wunsch nach neuer gesellschaftlicher Konstruktion: Eine Erneuerung der Gesellschaft durch eine neue Tonsprache liegt in der Zielsetzung bekannter Techno-Musiker – alles Ansätze, die ähnlich schon in den jedoch extremeren Absichtserklärungen und Forderungen der Futuristen existierten. Der in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten und öffentlich gemachten, oft befremdeten Annäherung an das Neue bei Techno setzen Musiker besonders in der Anfangsphase von »technoider Clubmusik«136
136 Budde, Dirk: Elektronische Tanz- und Unterhaltungsmusik. In: Rösing / Phleps: Populäre Musik im kulturwissenschaftlichen Diskurs. Karben: Coda. 2000. S. 59 ff.
konkrete Meinungen gegenüber. In Interviews geben sie Einblick in Handlungsmotivationen und Hintergründe. Zwischen den Zeilen der Musikerstellungnahmen geht hervor, dass das weite, unbeschriebene Feld technischer Möglichkeiten Vorurteile und Verunsicherung hervorruft und dass »Vertreter der alten Garde«137
137 Schwebel, Thomas: Spaß haben, ernsthaft bedacht. Die Zeit, Nr. 38, 16. 9. 99.
akustischer Musik Authentizität und Wärme zusprechen, während in Bezug auf Techno als vermeintlich ausdrucksloser Musik häufig von Künstlichkeit und Kälte die Rede ist. Die Stellungnahmen der Musiker dienen in erster Linie zur Vermittlung eines klaren und besseren Verständnisses für Techno-Musik.

Westbam138

138 Zu den im vorliegenden Text erwähnten Musikern liegen mehr Informationen im 3. Kapitel vor.
, mit bürgerlichem Namen Maximilian Lenz, formuliert mit Rainald Goetz Gedanken über die Zukunft von Techno House139
139 Westbam verwendet den Begriff Techno-House im Sinne des allgemein geläufigen Techno-Begriffes. Detroit-Techno bezeichnet er als Electrofunk.
, indem er 1991 den Zusammenbruch der Techno-Entwicklung prognostiziert, in der Kraftwerk die Antike der elektronischen populären Musik und Techno House ihr Mittelalter darstellten.140
140 Westbam: Techno Mittelalter. In: Westbam mit Rainald Goetz: Mix, Cuts & Scratches, Berlin: Merve 1997.

Für ihn steht die Musik Kraftwerks unter Einbindung von Fahrrad-, Taschenrechner-, Telefon-, und Eilzuggeräuschen in der Tradition des italienischen Futurismus. Mit Vocoder, Beatbox und Analogsynthesizerklängen hat nach Westbam die berühmte Musiker-Formation die Zukunft vertreten und den Futurismus in die Charts gebracht, was er mit Populärkultur gleichsetzt. Noch zwanzig Jahre später schöpften Musiker aus diesem »Zukunftswaffenarsenal«.141

141 Westbam. A.a.O., S.85.
Den Rückgriff auf veraltete Technologien zur Produktion von Techno beschreibt der Berliner Techno-Macher als schwer vereinbar mit dem »futuristischen Hass auf alles Vergangene«142
142 Ebd.
und als Mangelerscheinung, die sich im europäischen Techno zur eigenständigen Ästhetik entwickelt habe. Electro-Funk sieht er als Übersetzung des Konzeptes elektronischer Tanzmusik Kraftwerks in eine Musik mit kostenerschwinglichen und praktizierbaren Technologien. Jedoch registriert Westbam an diesem Punkt der Entwicklung eine massive Überladung, in der Kraftwerk und der Futurismus nur noch als Echo erscheinen. Vor diesem Hintergrund hofft der erfolgreiche Musiker auf das Einsetzen einer Moderne: »Die Moderne der populären elektronischen Musik steht noch aus. Mein Orakel: bis 1995 wird house music im engeren Sinne Vehikel dieser Entwicklung bleiben. Dann Zusammenbruch, Überraschung: die Moderne

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