- 58 -Volkwein, Barbara: What´s Techno 
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das Negieren sozial engagierter Verbände respektive politisch aktiver Vereine jedoch nicht gleichbedeutend mit Politiklosigkeit. Bei der Politisierung innerhalb der Techno-Bewegung handelt es sich ihm zufolge nicht wie üblich um eine gegenkulturelle Gesellschaftsumformung, sondern um die Möglichkeit der Aufhebung der sozialen Beschränkungen individueller Autonomie. Im zunehmenden Individualisierungsprozess liest er den Wunsch der Jugendlichen nach Austritt aus der Alltäglichkeit sowie nach der Möglichkeit der »Wahlfreiheit« des Einzelnen: Das Individuum will sich gesellschaftlich nicht mehr eingeschränkt sehen und sieht deshalb keinen weiteren Sinn mehr darin, sich in traditionellen Gemeinschaften mit konventionellem Regelwerk zu organisieren. Zwar handelt es sich bei der Zusammenkunft der Clubber und Raver auch um eine Vergemeinschaftung junger Menschen – ihre Form jedoch scheint charakterisiert durch Distinktion von traditionellen Freizeitgepflogenheiten. Dies ist für Meyer der Grund, weshalb es gerade in der Techno-Szene, die sich über innovativste Technologien auszudrücken vermag, zu nonverbalen Demonstrationen der Nicht-Alltäglichkeit kommt wie zum Beispiel der Überschreitung der Sperrstunden, den Mega-Raves an ungewöhnlichen Orten, des Zur-Schau-Stellens außergewöhnlicher Mode, über die Distinktion durch körperliche Randerfahrungen und nicht zuletzt über die Produktion fremdartiger Klänge. In der Sinnfindung durch die bei Techno körperlich intensive Tanzerfahrung sowie der gesangslosen Musik als einer Entlarvung der allgemeine und nichtssagende Bekenntnisparolen ausrufenden Elterngeneration sieht Klein eine neue ästhetische Kulturpraxis. In ihr »kommt nicht nur ein Wandel des Begriffs des Politischen zum Ausdruck, sie erscheint auch als kulturelles Feld, in dem sich eine umfassendere Veränderung der Kommunikationsformen abzeichnet, die dem Körperlichen und Sinnenhaften größere Bedeutung beimißt.«123
123 Klein. Electronic vibration. S. 76.

4.5.3.  Kommerzialität, Demokratisierung, Verlust der Authentizität?

Meyer fasst das Bild der Vermittlung über die Bedeutung technologischer Erneuerungen auf die Entwicklung von Jugendkulturen als »Konsum von kulturindustriellen Angeboten und dessen soziokulturelle Auswirkungen« zusammen. Seine Erforschungen der Techno-Szene ergaben, dass in den meisten Fällen Rezeption und Produktion parallel vorlagen. Als Ursache dieses Effektes nennt er die zunehmend kostengünstiger werdenden Möglichkeiten und die damit einher gehenden spezifischen Aneignungen digitaler Technologien für die Produktion veröffentlichungsfähiger Tracks. Dieser Umstand bezieht sich jedoch nicht nur, wie Meyer es beschreibt, allein auf den DJ als Produzenten, sondern umfasst den weit größeren Rahmen der Techno-Macher, die meistens über ihr ausgeprägtes Interesse als Fan an die Produktion von Techno geraten. Der Umgang mit dem Computer gehört in diesem Zusammenhang zur Alltagsordnung. »In dieser Perspektive wird sowohl der Zugang zu dieser Form der musikalischen Produktion also auch zum potentiellen Publikum demokratisiert und ermöglicht einer Vielzahl von Akteuren die ästhetische Artikulation im Medium der Techno-Musik«.124

124 Meyer. A.a.O., S.154.
Zudem ergibt sich dem Verfasser zufolge

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