4.5.1. Kultur
Techno an »der Schnittstelle zwischen originär subkulturellen Phänomen und medialer
Konstruktion« ist die Darstellung »einer Vereinigung uniform-amorpher, nihilistisch orientierter
Hedonisten«,102
102 Lothwesen, Kai. TECHNO – Jugend zwischen authentischer Kultur und Medienkonstrukt.
In: Diskussion Musikpädagogik Nr.6 / 2000. S. 78.
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schreibt Musikwissenschaftler Kai S. Lothwesen. »Neben ›dem Geist‹, der sich in
Körperlust verliert, erscheint auch die Zukunft ›des Sozialen‹ durch Techno
gefährdet«,103
103 Klein. electronic vibration, a. a. O., S. 18.
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schätzt auch Gabriele Klein das mediale Bild von Techno ein. Die Divergenz zwischen
standardisierten Klischees im öffentlichen Bewusstsein und der kulturellen Identität der
Techno-Szene selbst ist auffällig.
Der Jugend als ein Teil der Gesellschaft stehen jedoch vielschichtigere Bedeutungsebenen
zu. Durch die Beobachtung der Entwicklung elektronischer Tanzmusik, die aus weltweiten
sowie regionalen Musiktraditionen entstand, kann nach Lothwesen Techno als eine
»gewachsene«Jugendkultur104
104 Vgl. Lothwesen. TECHNO - Jugend. A.a.O., S. 78.
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gelten. Techno ist innerhalb einer großen, allgemeinen Gesellschaft eine Teilkultur –
wenn Autoren im Zusammenhang mit Techno über Kultur referieren, meinen
sie vornehmlich Jugendkultur. Sie in der gegenwärtigen Lage sich auflösender
Grenzen105
105 Sie sind u.a. bedingt durch eine veränderte biografische Entwicklung der Menschen und
altersübergreifende Angebote der Medien.
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zu beschreiben, ist nicht immer ganz einfach: Klein stellt zum Beispiel die Altersdivergenzen der
sich in zwei Gruppen aufsplittenden jugendlichen Techno-Kultur als die jungen Raver und älteren
Clubber dar.106
106 Klein. electronic vibration. A.a.O., S. 66ff.
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»Jugend ist Kult, ein Ideal, das Erwachsenen erlaubt, ihren eigenen Status zu verlassen oder gar zu
negieren«.107
107 Lothwesen. TECHNO – Jugend. A.a.O., S.79.
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Simples Beispiel hierfür ist die Mode: Zu Beginn der Techno-Ära konnte sich kaum
jemand vorstellen, dass Mikrofaser-Kleidung mit einem zumeist aus dem Science-Fiction
oder der Raumfahrt entlehnten Design, wie sie in der Techno-Bewegung lange Zeit üblich
war, von gesetzten Mitfünfzigern getragen würde. Diese Aneignung jugendspezifischer
Stile durch Erwachsene ist bei der Betrachtung von Techno-Kultur zu berücksichtigen.
Darüber hinaus wird Kultur immer mehr entlokalisiert und somit enttraditionalisiert
als Folge von Pluralisierungs- sowie Globalisierungsprozessen und als Folge
ihrer weltweiten medialen Verfügbarkeit. Kultur ist somit weniger an nationale
Räume und Identitäten gebunden. Die Entwicklung von Jugendkultur bezieht
sich deshalb nicht mehr ausschließlich auf dominante, spezifische kulturelle
Traditionen.
Aus einer musiksoziologisch motivierten Perspektive beschreibt Lothwesen die
Techno-Kultur als eine Szene innerhalb der Gesamtgesellschaft, die ihre sozialen Räume
ständig ausweitet. Damit sind Veranstaltungsorte (Disco, Club, Flughäfen etc.) ebenso wie
die Erweiterung des Aktionsradius über die Kommunikationsmedien (Flyer, Fanzines,
Internet)108
108 Detaillierte Beschreibungen zu ebensolchen kulturellen Alltagspraktiken stellt Meyer
dar.
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gemeint. Die Tatsache der zunehmend kommerziellen Erfolge der ursprünglichen technologischen
Underground-Musik setzt eine »Entwicklung von Szenephänomenen zu teilgesellschaftlichem
Allgemeingut in Gang: Techno ist in weiten Teilen akzeptiert – Design, Musik, Mode und
Werbung
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