Immer mehr Menschen können sich durch die immer günstiger werdenden
Produktionsbedingungen in technologischer Musik kreativen Ausdruck verschaffen –
dies ermöglicht eine freiere Selbstentfaltung. Auch reißt die starke Präsenz der
Klänge von Techno mit und erweckt, wie es der Club-Alltag zeigt, offensichtlich
die Lust zur eigenen Körperlichkeit. Aus diesem Grund heben einige Autoren
die Verwendung von Maschinen bei Techno auf das Niveau einer Technik der
Subjektivierung, einer Technik des Selbst: Das Gemeinschaftserleben in einem
»maschinischen Gefüge« und die fließende Musik, die ununterbrochene Bewegung
und Tanz auslöst, führt in ritueller Manier menschlichen Körper und Geist
zusammen, kann als ein Fazit der vorangegangenen Ausführungen verstanden
werden.
4.5. Techno ist Kultur, Politik, Kommerzialität
»Techno wird bleiben und musste schon sein, musste
erscheinen, bevor es auftrat. Es ist eine Konsequenz und
Notwendigkeit, die darin erfolgt, und dadurch nach außen
sich wendet. Es ist der akustische (musikalische?) Ausdruck
unserer Zeit«.99
99 Breuer. A.a.O., S. 87.
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Henning Breuer
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Kultur ist immer ein sozialer Prozess. Kultur erscheint immer als Feld der Entstehung
kultureller Praktiken. Kultur ist immer an soziale Beziehung geknüpft, formuliert
sinngemäß Gabriele Klein eine Grundvoraussetzung der Herangehensweise an eine
Kultur.100
100 Klein. electronic vibration. A.a.O., S. 300.
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Dies ist auch bei Techno der Fall. Im Techno-Diskurs findet die Charakterisierung
von Techno als Kulturform demgemäß auf verschiedenen Ebenen statt, wobei
die gesellschaftliche und menschliche den größten Raum einnehmen. Dabei
ist ein Blick auf die Entwicklung von Techno als jugendkulturelle Bewegung,
auf Bildung von Identität sowie auf die kulturelle Praxis und Performance
sinnvoll.101
101 Vgl. hierzu Veit Erlmanns Darstellung zur Herangehensweise an Musikkulturen.
Musikkultur. In: Bruhn, Herbert/ Rösing, Helmut. Musikwissenschaft. A.a.O., S.
71ff.
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In diesem Zusammenhang spielt auch die Vermittlung der Medien eine große
Rolle, aus denen Außenstehende ihr Bild über die Techno-Bewegung als
politiklose Party-Gemeinschaft ziehen. Die gesellschaftliche Beteiligung der
jungen Techno-Anhänger durchbricht nicht nur das Verständnis für Formen der
Vergemeinschaftung, sondern schafft, bedingt durch die ständig wachsenden Prozesse der
Pluralisierung und Individualisierung, neue Formen der Vergemeinschaftung – auch
das ist ein weiterer wesentlicher kultureller Gesichtspunkt. Zudem bedingen
diverse Faktoren wie klangliche Elemente, musikalische Strukturen, verbesserte
sowie kostengünstige Produktionsbedingungen oder das Zusammenspiel von
Mensch und Technologie eine Begründung von Techno als eigenständige (Jugend-)
Kulturform. Das vorliegende Kapitel skizziert verschiedene Konzepte über Techno als
kulturelle und politische Bewegung, wird jedoch nicht in Details gehen. Hier eignet
sich neben der Lektüre von Erik Meyer und Gabriele Klein auch die von Hans
Cousto, der eine sehr persönliche, jedoch nicht weniger interessante Position
einnimmt.
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