noch eine Stimmung vor, da sie abstrakt sei. Man könne jedoch etwas
damit tun – nämlich Tanzen.
»Techno ist so grundsätzlich, an sich grundlos, tot und leer, offen in seiner
Abstraktheit, dass es so aufnahmefähig ist für Besetzungen wie Malen nach Zahlen mit
frei verschiebbarer Zahl. Gerade weil nichts darin ist, Techno an sich ›keine Musik‹ ist,
ist gerade hier fast alles drin. (. . . ) Ich kann was damit tun – ich muss (›der Rhythmus,
mit dem jeder mit muss‹). (. . . ) Techno langweilt nicht mit Verboten, es treibt, etwas zu
tun – was, bleibt jedem selbst überlassen im Rahmen, den der Raum setzt (Optik,
System fehlender Gegenstände etc.). Das Naheliegendste: Tanzen. (. . . ) Ekstase stellt
sich schon ein und da sie sich beim Tanzen ereignet, braucht mancher selbst den Sex
nicht.«58
Für Michael Lingner liegen die musikcharakteristischen Kriterien von Techno in
dem ununterbrochenem, ständig wiederkehrendem Klangfluss, der den ganzen
Körper mit einer solchen Intensität erfasse, »wodurch sich bald in trancehafter
Ekstase die Individualisierung der einzelnen Körper aufhebt und in ein Gefühl
des Einsseins mit allen anderen Menschen und des Einklangs mit der Natur
übergeht.«59
59 Lingner. A.a.O., S.14.
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Er meint, dass solche Wirkungen Nietzsches Vorstellungen vom Dionysischen durchaus verwandt
sind.60
60 Lingner geht auf das Anästhetische im Techno ein. Für ihn ist Nietzsche der erste
Philosoph, dem das Dionysische als Kulturphänomen erscheint. Das Dionysische bringt
er in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anästhetischen. Siehe auch: Nietzsche,
Friedrich: Die Geburt der Tragödie. Stuttgart 1970.
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Erzeugt werde dieser dionysische Rausch durch hohe technische Rationalität mit kühler
Perfektion – dies mache die minimalistische Musik zwar wirkungsvoll, jedoch sinnleer.
Ähnlich wie Breuer kommt er zu der Ansicht, dass jedem selbst überlassen bleibt,
Techno zu interpretieren.
»Techno-Musik bietet eine Chance zur Kultivierung des Dionysischen, die verspielt
oder genutzt werden kann. Dabei entscheidet nicht die Musik als solche, sondern
das, was Kultur im eigentlichen Wortsinn bedeutet, nämlich die ›Pflege‹, d.h.
die Art und Weise des Umgangs mit ihr, über die kulturelle Qualität. Ob es
gelingt, die Musik allein Droge genug sein zu lassen und so zu produzieren und zu
rezipieren, dass die Idee der dauerhaften und genussvollen Fortsetzbarkeit beide
Handlungen stets begleitet, ist einer der wesentlichen kulturellen Faktoren.
Jeder einzelne Beteiligte, der in Techno nicht nur eine Szene sieht, steht heute
vor der Frage, die Nietzsche als Erster aufwarf: Wie müsste der Umgang mit
dieser Musik beschaffen sein, damit eine Kultur des Dionysischen entstehen
kann?«61
61 Lingner. A.a.O., S. 17.
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Am dichtesten nähert sich die Soziologin Gabriele Klein an Techno als trance-ritueller
Kultur an. Sie charakterisiert Techno als Tanzmusik, weicht jedoch davon ab, die
Musikstruktur als Ursache von Tanz zu betrachten und stellt das Tanzverhalten in den
Vordergrund:
»Im Techno- und House-Bereich dreht sich das Verhältnis von Musik und
Tanz um. Nicht – wie in der Musikgeschichtsschreibung gern unterstellt wird,
in der Musik als geistiges Produkt und Tanz als eruptives Körpergeschehen
definiert und von daher untergeordnet ist – dominiert die Musik den Tanz
und bestimmt Tanzform
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