sinnlichen Rausch als ein Hyperphänomen ebenso wie die sinnliche Taubheit als ein
Nullphänomen des Ästhetischen: Werden alle musikalischen Mittel funktionalisiert,
um derart eine höchste Potenzierung und gleichzeitige maximale Minimierung
des Ästhetischen zu erreichen, so steigert sich das Anästhetische – wie einst
bei Wagner und heute durch die ›Godfathers of Trance‹ des Techno – zum
Dionysischen«.33
33 Lingner. A.a.O., S. 16.
|
Ähnlich kommentiert Henning
Breuer34
34 Breuer, Henning: Techno, Tekkno, Textasy. Ein Reisezug durch Tekkno. Berlin: im
Eigendruck veröffentl. Magisterarbeit ohne Jahreszahl.
|
,
dass der ›Verlust‹ bestimmter aus der Popmusik bekannter Sounds als das eigentliche
Wesen von Techno gilt und die Wirkung der Musik für all diejenigen Spannung aufbaut,
die sich darauf einlassen. Die Ablehnung von Techno als Musik kehrt er ins
Positive um und interpretiert gerade die von Zweiflern als negativ bezeichneten
Eigenschaften als das Besondere von Techno. Die schon in einer sehr frühen
Entwicklungsphase von Techno entstandene Arbeit Breuers dokumentiert Techno
als singuläres und bedeutsames musikalisches sowie gesellschaftlich relevantes
Phänomen:
»Tekkno ist keine Musik (Aussage eines ›echten Musikers‹) – neben reaktionärem
Gehabe, Sentimentalität und stillschweigenden Voraussetzungen eigener Setzungen
komplementiert der Satz (diese Ausgrenzung und Negativ-Setzung) das
Wesen, das Tekkno fehlt. Tekkno artikuliert dieses Fehl und wenn überhaupt
etwas, dann macht diese Abwesenheit sein Wesen. Sounds bleiben im
Hintergrund, versprechen von dort sich ständig, frohlocken ohne je aus dieser
Reserve/-iertheit, heraus sich zu ereignen (Warten auf Wiederkehr?), halten in
ewiger Ahnung gespannt, dem schneller Sensation Stillung geübten Ohr eine leise
Qual«.35
Der neue Klang und die kreative Vielfalt des Produktionsprozesses werden immer
wieder als die Ursache des Entstehens einer neuen Musikrichtung angeführt. Achim
Szepanski stellt im Interview mit Katja Diefenbach fest, dass die »Erzeugung neuer
Klänge und nicht die Reproduktion von Tönen« die Ausgangsposition von Techno
ist.36
36 Szepanski. A.a.O., S. 140ff.
|
Er schlägt eine Brücke zur notierten Musik, die man erst nach Einsatz von
Instrumenten und geübten Spielern klingen hört. Über diese Bedingung, die mit
dem Hören der notierten Musik verbunden war, problematisiert Szepanski die
»Eigenarten der Instrumente selbst, [denn] sie erweisen sich als kompositorische
Zwangsjacke«.37
Die Entwicklung der ersten Schallspeicher, Tonbandgeräte und anderer musikelektronischer
Geräte in diesem Jahrhundert sind ihm zufolge ein wichtiger Schritt für die
kompositorische Arbeit gewesen.
»Nun konnte man real existierendes Klangmaterial verarbeiten; Cuts, Transformationen,
Techniken der Verlangsamung und der Beschleunigung kamen zum Einsatz. Über den
Analogsynthesizer wurde schon gesprochen, die Erfindung und massenhafte
Verbreitung der Mikroprozessoren lässt Klangverläufe und Kompositionen als
Generierung der Musik durch Algorithmen erscheinen. Zugleich wird die Musik zum
Frequenzphänomen. Es entstehen Schwingungsverläufe, die dem menschlichen Ohr
gefährlich werden können und die kein Komponist im voraus so hat notieren
können«.38
|