so
haben sich bei elektronischer Unterhaltungsmusik allenthalben die Gesetzmäßigkeiten
der Produktionsweisen von Tonmaterial verändert. Der Ausdruck von Innerlichkeit sowie
die Reflektion äußeren Geschehens bleiben auch bei Techno erhalten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Verfassern zeigt sich Szepanski nicht als
Techno-Zweifler und postuliert nicht mit dem Aufwerfen der Frage nach Techno als
Musik den Untergang der abendländischen Unterhaltungsmusik.
Zuweilen haben Musikexperten hinsichtlich der Klänge und Produktionsweise
Schwierigkeiten in der Einschätzung von Techno als musikalischem Phänomen.
Ein äußerst vernichtendes Urteil fällt in einer Befragung von Jürgen
Terhag26
26 Terhag, Jürgen: Populäre Musik und Pädagogik. A.a.O., S. 217.
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der zweiunddreißigjährige Musik-Pädagoge Lothar, für den Techno »erbarmungsloser
Plastiksynthie-Sound«27
ist. Immerhin sieht er eine Besonderheit im gestalterischen Grundprinzip der Repetition
und in der Verwendung elektronischer Geräte: »Da wird die Auseinandersetzung mit
elektronischen Geräten als einer Weiterentwicklung von akustischen Instrumenten durch
Plattenspieler und Disco-Peripherie ersetzt, es gibt nur die ewige Wiederholung von quälenden
Kurzpattern«.28
Im weiteren Verlauf thematisiert der Lehrer den Sound und weist auf den fehlenden
Gesang, den Text bzw. dessen Ersatz durch Vokalsamples hin.
»Viele Sounds erinnern mich an Signale von Haushaltsgeräten. Monotone Schleifen
werden durch nichtssagende Sprachsamples ergänzt, oft der einzige thematische Bezug zum
Titel der unsanften Reizüberflutung, die sich beständig in ihrer Einfalt zu überbieten
versucht«.29
Auf die Frage des Interviewers, was Techno sei, antwortet er: »Techno
ist eine Jedermanns-Sache bei minimaler handwerklicher Kenntnis, eine
Kapitulation vor der Umweltentfremdung; als Kunstform ist Techno
unbedeutend«.30
Das Nicht-Schöne kann, von einer anderen Perspektive aus betrachtet, gerade
den Reiz an technologischer Unterhaltungsmusik ausmachen. So setzt Michael
Lingner31
31 Lingner, Michael. Wie es euch gefällt. . . Jenseits von High und Low Culture (. . . ) In:
Bahr, Xenia / Roßdeutscher, Oliver (Hrsg.): no Rites. A.a.O., S.14ff.
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das Nicht-Schöne in der Techno-Musik als Akzent der Steigerung
des Schönen: Elektronische Medien zielen immer häufiger auf das
Anästhetische32
32 Lingner erwähnt in diesem Zusammenhang die von Wolfgang Welsch beschriebene
Ambivalenz zwischen Ästhetik und Anästhetik (Vgl. Welsch in: Ästhetisches
Denken, Stuttgart 1992). Mit Anästhetik meint Lingner die Aufhebung der
Empfindungsunfähigkeit als Elementarbedingung des Ästhetischen – im Sinne einer
Unmöglichkeit von Sensibilität.
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und stimulieren es um so extremer – dadurch werden die zuvor latenten Eigenschaften
der Berauschung und der Betäubung voll ausgebildet.
Die Bedeutung des Sounds für Techno liegt gemäß Lingner in der Anverwandlung zum
Anästhetischen: der Sound betont das Fremdartige als den Faktor, der einen wilden,
gelösten Genuss von Techno garantiert. Die Fremdheit des Klangbildes ist der Kern
ungehemmten Techno-Konsums.
»So kann nach einer Techno-Nacht das Rauschen des morgendlichen Straßenverkehrs
tatsächlich als Entspannung genossen werden. Das Anästhetische umfasst den
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