durch die Abweichung von den original im
Studio verwendeten Sounds eine sehr vereinfachte, zuweilen realitätsfremde Analysebasis
darstellt.
Allen Analyseformen ist gemein, dass sie mindestens eine der stilistischen
Besonderheiten, die den charakteristischen Kick eines Tracks ausmachen, aufdecken
können. Stärken liegen jedoch, wie der Leser unschwer erkennen wird, offensichtlich im
rhythmischen Bereich.
Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen zwei sehr unterschiedliche Tracks,
die mittels der eben beschriebenen Analysemethoden dargestellt werden. Die Analysen
werden einen ersten Einblick in die musikalische Gestalt von Techno geben, die Musik
bzw. ihre entscheidenden charakteristischen Merkmale möglichst vielschichtig beleuchten
und die jeweils dominierenden Schwerpunkte der einzelnen Analyse-Methoden
veranschaulichen.
Die Analyse ist in zwei Hauptabschnitte geteilt:
Der erste Abschnitt befasst sich mit der Hör-, Produktions- und Spektralanalyse des
Tracks »I.D. 12« von Antisept (Trope 020, 1996).
Der zweite Teil skizziert zunächst die Grundzüge der MIDI-File-Darstellung im
Allgemeinen und befasst sich dann mit der konkreten MIDI-File-Analyse des Tracks
›Shake‹ von Markus Nikolai (Back, Perlon, 2000).
7.3.1. Höranalyse am Beispiel »I.D. 12« von Antisept
In der folgenden Höranalyse wird die rhythmische Sektion in traditionelle Notenschrift
transkribiert, während die hauptsächlich verwendeten Klänge in einer Verlaufsgrafik
skizziert werden. Bei der Höranalyse geht es um die subjektive Interpretation
struktureller, klanglicher Eigenschaften.
Der Track besteht aus zwei entscheidenden Ebenen: Die erste ist gezeichnet durch die
Rhythmussektion, bestehend aus zwei Kickdrums, einer Snare, zwei HiHats und einem den
Off-Beat markierenden Wheep-Klang. Die zweite, d.h. die Sound-Ebene besteht aus einem
gläsern-metallisch klingenden Bell-Sound, einem charakterbildenden, offensichtlich durch
Cut-Off-Filter21
21 Dies ist eine typische Eigenschaft, die dem TB 303 Bassline Generator innewohnt. Im
späteren Interview mit Antisept stellte sich heraus, dass er für den Track jedoch
einen Nachbau, den Doepfer MS 404 benutzt hat. Dieser hat keine explizit
ausgewiesene Cut-Off-Filterfunktion. Jedoch kann bei jedem VCF (Voltage
Controlled Filter), über das auch die MS 404 verfügt, die Eck- bzw. Grundfrequenz
manuell eingestellt und spannungsgesteuert werden: Somit kann eine angelegte
Steuerspannung die Einsatzstelle des Filters über den gesamten Audio-Bereich
verschieben, d.h. modulieren. Darüber hinaus könnte der typische Acidsound
dieses Tracks bedingt sein durch eine sehr starke Resonanzüberhöhung, die zur
Rückkopplung der bevorzugten Frequenzbereiche und somit zur Schwingung
des Filters führt (Selbstoszillation). Der Effekt ist dem des Cut-Off-Filterns
ähnlich, weshalb im folgenden Text der Begriff auch auf die MS 404 angewendet
wird.
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kontinuierlich modifizierten Knarzen, einem Wawawa-Klang, der sich rhythmisch mit den
HiHats bewegt und einen in der zweiten Hälfte des Stückes hinzukommenden
Flächensound auf ein tonales Zentrum um ›b‹.
Gemeinsame Bezugspunkte der einzelnen Elemente sind:
Wheep mit Kickdrum (fortan nur als Wheep bezeichnet) liegen mit Snare auf der
zweiten und vierten Zählzeit.
HiHats und Wawawa-Klang sind rhythmisch nahezu identisch.
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