- 99 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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mitgesungen oder nur angehört, handelt ja schlechthin allgemein. In ihn wird jeder Anwesende hineingebunden. Er trägt die Gemeinde, und die Gemeinde verwirklicht ihn zugleich. Dazwischen aber liegt der Versuch, durch die Motettensätze tiefer zu führen, zu interpretieren, auf die Wahrheit hinzuweisen, durch die Musik das Bibelwort stärker erfaßbar und erlebbar zu machen, den Menschen in Gedanken und Empfindungen anzusprechen, mit den Mitteln der Musik eine Katharsis der Beteiligten, eine Reinigung zu bewirken. So glauben jedenfalls gegenwärtige Musikerzieher es ausdrücken zu dürfen.

Man hat dieses Werk auch Bachs Predigt genannt. Im ersten Teil geht es um die Aussage: Es ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind. Der zweite Teil spielt in schärfsten Kontrasten das Leben im Geist und in der Versuchung des Geistes durch das Fleisch, durch Furcht und Tod durch. Das Werk beschließt der Jubel: Der Geist aber ist das Leben. Es folgt der gelöste Abgesang an die Welt, an die Sünden, an Stolz und Pracht und an das Lasterleben: Gute Nacht, o Wesen. Dieser dritte Teil endet mit der verkürzten Form des Anfangschores und besagt, daß der Geist die sterblichen Leiber lebendig machen wird.

Die musikalischen Mittel, deren sich Bach bedient, sind vielfältig und differenziert. In den Taktarten lösen sich 4/4, 3/2, 3/4, 12/8 und 2/4 ab. Mit den Taktarten sind die verschiedenen Grundschwingungen der Sätze vorgezeichnet. Im einzelnen ergibt sich für jedes Stück eine Gangart, von dem sich das nächstfolgende in entschiedener Veränderung absetzt, also in einem rhythmischen Verhältnis zum Vorhergehenden steht. Das scheint eine Binsenweisheit zu sein, die aber oft bei der Gestaltung nicht beachtet wird. Die Wahl der Taktart und damit der Gangart jedes Stückes ist sinnbezogen, der Ablauf des Ganzen rhythmisch-dynamisch geplant.

Die Sinnbezogenheit verdeutlicht sich noch stärker in der Stimmigkeit der Sätze: Vierstimmigkeit (Sopran, Alt, Tenor, Baß) aber auch in der Ordnung Sopran 1 und 2, Alt und Tenor, Fünfstimmigkeit (drei Frauen- und zwei Männerstimmen), Dreistimmigkeit (drei hohe Stimmen, oder auch Baß, Tenor, Alt).

Das Werk steht in e-moll. Die Auswanderungen gehen nach G-Dur, C-Dur, a-moll, auch h-moll. Melodik, Harmonik, homophone oder polyphone Schreibweise, Tonart, Musik und Rhythmik erfahren


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