- 98 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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dienen zu freieren Ausführungen innerhalb der Komposition. Um ein Bild zu gebrauchen: Die vier benannten Choralstrophen sind die Säulen, die die Bögen der Komposition tragen. Vier Säulen tragen drei Bögen. Die Gliederung ist dabei ohne klassische Symmetrie. Der zweite Bogen ist größer als der erste, der dritte größer als der zweite. In der Norm der Takte ausgedrückt: der erste Bogen zählt 122, der zweite 154 und der dritte 189 Takte. Der Unterschied vom ersten zum zweiten Bogen beträgt somit 32 Takte, der vom zweiten zum dritten Teil 35. Freilich entspricht diese Ausweitung der Teile nicht dem Druckbild, denn es gibt lange und kurze Takte, - und auch nicht der Aufführungsdauer, die durch die verschiedenen Tempi und Auffassungen der einzelnen Stücke variabel bleibt.

Auch die Zahlen des Druckbildes sollen nicht vorenthalten bleiben, um der zeitgemäßen Faktenaussage einen weiteren Tribut zu zollen. Im Druckbild braucht der erste Bogen 4 m 17 cm, der um 32 Takte längere zweite Bogen 5,39 m, der wiederum um 35 Takte erweiterte dritte Bogen aber nur 6,09 m. Die Gesamtaufführungsdauer beträgt bei der Schallplattenaufnahme der Leipziger Thomaner zwanzig Minuten und zweiundvierzig Sekunden. Vergleichsziffern zu dieser sehr schnellen Darbietung lagen nicht vor. -

Auch zu Bachs Zeit macht man sich Gedanken über die Länge eines Werkes und natürlich über seine Gliederung, vor allem bei Kantaten.7 Darüber finden sich Regeln bei dem Kantatendichter Neumann. Johann Christoph Gottsched widmet den Erfordernissen der Kantatendichtung ein ganze Kapitel seiner "Critischen Dichtkunst" von 1729. Im vierten Teil von Mizlers "Neu eröffneter musikalischer Bibliothek", 1754, finden sich Erörterungen zur Anlage von Kirchenkantaten. Demnach soll die Länge einer Kantate durchschnittlich 350 bis 400 Takte verschiedener Mensur, entsprechend der Aufführungsdauer von einer halben Stunde betragen. Unsere Motette kommt der für die Kantate später aufgestellten Forderung ganz nahe.

Das Bild des Tores mit den vier Pfeilern und den drei Bögen gelte nur als Hilfsvorstellung für die Gesamtgliederung. Das Verhältnis der komponierten Teile zu den Choralstrophen ist immer wieder wie das einer interpretierenden Ausführung zu dem, was im Choral vorangegangen ist oder zu dem, was im Choral folgt. Der Choral, ob

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