- 96 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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viele Motetten komponiert. Uns sind aus der Zeit von 1723 bis 1734 überliefert: Die 8-stimmigen Motetten "Komm Jesus komm", "Fürchte dich nicht", "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf", "Singet dem Herren", die 4-stimmige Motette "Lobet den Herren alle Heiden" und die 5-stimmige Motette "Jesu meine Freude" (1723). 5 Trauergottesdienste sind vornehmlich der Anlaß ihrer Entstehung. Bach hat im Rahmen dieser Feiern die Motettenkomposition der Kantatenform, seinem eigentlichen kirchenmusikalischen Kompositionsfeld, vorgezogen.

Mit Heinrich Schütz (1585-1672) hatte die wortgebundene Musik imSinne der Motettenkunst ihren Höhepunkt und vorläufigen Abschluß gefunden. In seinen Motetten kommt vornehmlich die deutsche Sprachgebärde zum Erklingen. Mit Bach wandelt sich das Verhältnis von Sprache und Musik. Trasybulos Georgiades beschreibt dieses Verhältnis in seiner bedeutsamen Abhandlung "Musik und Sprache" 6 so:

"Die Musik ist - bei Bach - nicht eine Deutung der erklingenden Sprache; sie kann daher auch nicht die Sprache überflügeln. Bach verfolgt andere Ziele. Er verwendet die Sprache nicht mehr als erklingend-anschauliche Sinngestalt, er betrachtet sie nicht als autonome Vorstellungsgebilde, sondern als Zeichen für Sinnbezüge, die nicht spezifisch sprachlicher Natur sind, als bloßen Hinweis auf einen gemeinten Sinn. Dies erlaubt ihm, das, was ihm vorschwebt, als rein musikalischen Sinn zu verwirklichen. Er kann daher nicht die vokale Musik unmittelbar weiterführen, da diese doch als Sprache groß geworden war. So ist die Musik Bachs von Hause aus instrumental. Das Neue ... gegenüber Schütz und den früheren Vertonungen ist die Instrumentalisierung der Musik."

- Es wird uns des weiteren beschäftigen, inwieweit die Motettenkunst bei Bach sich im Sinne der "erklingenden Sprache" oder der "Instrumentalisierung der Musik" verwirklicht.

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Philipp Spitta, J. S. Bach, Leipzig 1908
Bach-Jahrbuch 1912 und 1933 (Beiträge von B. Fr. Richter und Arnold Schering.)
Albert Schweitzer, J. S. Bach, Leipzig 1908


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