- 80 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Der Mikrokosmos erzieht zum Tonraumdenken in Pentachorden und Hexachorden verschiedener Anordnung. Bartók verwendet das Tonmaterial in pentatonischen, in dorischen, phrygischen, lydischen, myxolydischen Reihen, in Dur und Moll, in verminderten Quinten und in der Ganztonscala. Dreiklänge, Quarten, Quinten, kleine Secunden und große Septimen, große Secunden, gebrochen und im Zusammenhang, geben den Anstoß für Kompositionen. - Die melodischen Linien bewegen sich in bewußter Zirkelung auf- und abwärts, in Bögen und in Wellen. - Die Satzweise wechselt zwischen Unisono, Spiegelung, Gegenbewegung, Imitation und Contrapunkt, Imitation und Inversion, Kanon, Kanon im Quintabstand, Kanon mit Bordun, Terzen gegen eine Einzelstimme und anderes mehr. In einzelnen Stücken beeinflußt die Gestaltung der Dreiertakt oder der Vierertakt, dann die Synkopen, die Triolen, die bulgarischen Fünfachtel- und Siebenachtel-Rhythmen und freie Tonfolgen. Musikalische Charakteristika verschiedener Länder geben die Impulse für Musiken im orientalischen, transylvanischen, jugoslawischen, russischen und ungarischen Stil ab. Neben Überschriften für gebundene oder freie Formen wie Marsch, Bourrée, Bauerntanz, Choral, Pastorale, Intermezzo, Notturno finden sich Beziehungen, die wie bei "Ringen" oder "Melodie im Nebel" Vorstellungen besonderer Art wecken, z.B. Wogen, Wandern, Perpetuum mobile, Dudelsack, Ostinato, Aus dem Tagebuch einer Fliege. Die angeführte Vielfalt bezeugt, daß das Werk den Namen Mikrokosmos zu Recht trägt.

Während in Robert Schumanns Kinderszenen die Überschriften "Glückes genug", "Erstes Leid", "Träumerei" die Aufmerksamkeit auf die Empfindungen lenken, weist Bartók immer auf den musikalischen Vorgang hin. Das meint: Vollziehe den Vorgang mit, der sich durch die Töne abspielt. Nimm die Ereignisse der Tonbewegungen wahr, kontrolliere den Spannungsablauf, lebe die Spannungsintensität, erfasse die Musik musikalisch, lerne musikalisch denken. So anders will es diese Musik.

Béla Bartók hat mit wissenschaftlicher Akribie Volksliedforschung betrieben. Die Ergebnisse seiner Bemühungen gewannen höchsten Rang. Seine Liedforschung erstreckte sich vor allem auf den südosteuropäischen Raum. Durch seine Liedausgaben und seine Untersuchungen verbreitet sich die Kenntnis dieses Liedgutes. Die Prägung dieser Volkslieder unterscheidet sich wesentlich in Rhythmik, Tonmaterial und Form von dem bei uns noch üblichen Liedgut. Walter


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