- 76 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (75)Nächste Seite (77) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Kindermelodik, das freie Spiel in der Pentatonik, die Benutzung des kirchentonigen Raumes bestimmen den Umkreis. Freie Erfindung wechselt mit überliefertem Liedgut. Orff ist ein Wünschelrutengänger in dem überlieferten Erbe volkstümlichen Singens. Die von ihm gewählten Texte oder Lieder tragen den Charakter des Besonderen: Kinderreigen und Rufe, Tierlockrufe, Wetterregeln und Sinnsprüche, Segensverse und Lobgesänge, Stücke zum Frühlingsanfang und zur Sonnenwende, Weihnachtslieder und biblische Texte, das Wessobrunner Gebet als auch der Lobgesang des Heiligen Franziskus, die Fischpredigt des Antonius von Padua, Märchensprüche und Tanzlieder, Texte aus Goethes Faust und aus Hölderlins Fassung der Antigone.

Wie Sprache und Melodik, wie Sprache und Klanglichkeit einander integrieren, wie das Melos gebildet und geformt wird, wie die Klanglichkeit des Instrumentariums sinnbestimmend mitwirkt, das prägt den Charakter des Schulwerks. Bei aller Formelhaftigkeit der Ostinati gewinnt doch jedes Beispiel seinen eigenen Ton. Das Musizieren der Stücke fordert bei den Ausführenden eine Verhaltensweise heraus. Im Schweizerischen Kinderruf: O großmächtige Sonne, wie schön gehst abe...! kann man nicht anders als in die Weite rufen. Gesteigertes Rufen fordert die Klangmixturen bei "Christ fuhr gen Himmel". Versunkenheit, horchendes Verhalten entsteht beim Singen der Ballade "Herr Oluf". Horchendes Singen gehört zu den geistlichen Gesängen: An dem österlichen Tag; Und es waren Hirten; Da Jesus in den Garten ging u.a. - Wie gesellig aber wird es, wenn man den "Jahrmarkt" singt: Liebe Kindlein kaufet ein...!,oder bei "Der alte Kastalter". In einem anderen Zusammenhang habe ich dargestellt, wie drei Verhaltensweisen, das rufende, das horchende und das gesellige Singen aus dem Umgang mit dem Liedgut erwachsen. In den Orffschen Beispielen wird ein solch dreifaches Sichverhalten intensiv gefordert.

Das Verhältnis von Wort und Ton, von Sprache und Musik, wandelt sich von Stufe zu Stufe. In Sprechübungen geht es sowohl um die reine Sprechtechnik, um die Sprechrhythmik als auch um die Klanglichkeit der Worte. Wortketten nach bestimmten klanglichen Reizen werden gebildet und rhythmisiert. Verse werden sprechmetrisch geklappert und kriegen so die Derbheit von Klotzversen. Rhythmisierte Verse werden zu Sprechkanons geordnet. Sprache wird psalmodiert,


Erste Seite (1) Vorherige Seite (75)Nächste Seite (77) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 76 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten