- 29 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Bewußtsein, also hört das Ohr und unser Bewußtsein muß lernen, die Vorgänge wahrzunehmen, mitzuvollziehen und auch zu registrieren. Durch diesen Vorgang kann das Gespräch ähnlich in Gang kommen wie vom Einsingen her im Sinne des Beispiels der Deutschstunde. Aber, musisch gesehen, läßt sich gegen Hören und Bewußtmachen viel einwenden, weil dadurch nicht genügend Sinne angesprochen werden. So schalten wir die Hand dazwischen. Vom Abhorchen geht der Weg nicht gleich ins Bewußtsein, sondern über das Abtasten, einer körperhaften, sinnenhaften Erfahrung zum Bewußtsein. Wie heißt dann praktisch die Anweisung? Bewege den Pulsschlag (den Herzschlag, den Grundschlag, den Grundschritt) der Melodie mit. Zeige das Auf und Ab der Melodie mit (die Zeigetechnik). Klopfe die Melodie, ihre Längen und Kürzen. Führe die Hand entsprechend den melodischen Atemlängen mit. Dirigiere den Takt. Zeichne eine Kurve in die Luft, die dem melodischen Ablauf entspricht. Ist dergestalt eine Melodie abgetastet, so ist sie den Hörern völlig vertraut geworden. Sie ist ergriffen, auch gekonnt, ohne daß ein Ton von den Hörern dabei gesungen wurde. Das scheint mir zur Erreichung innerer Sammlung, zur Anregung eines meditativen Verhaltens, von Zeit zu Zeit notwendig. Vom Abtasten zum Bewußtmachen durch das Wort, durch die Begriffssprache ist nur ein kleiner Schritt. Er kann geleistet werden, aber er muß nicht geleistet werden. Das ist eine Frage der Altersstufe.

Die Kunsterziehung verläßt sich völlig auf die gestalterischen Kräfte des Kindes, sie lehrt mit Form und Farbe spielerisch umzugehen. Das Orffsche Instrumentarium hat Tore geöffnet zur spielerischen Improvisation. Aus der Vielfalt der sich hieraus ergebenden Möglichkeiten gewinnen wir für unseren Umgang mit dem Lied die Improvisation des klingenden Teppichs. Ostinate Rhythmen und melodische Ostinati geben dem Lied ein neues Gewand, es wird auf neue Weise erfahren.

Im Rahmen der Arithmetik und der Geometrie entwickelt jeder Lehrer die Aufgaben und bewirkt in gemeinsamer Bemühung mit der Klasse das neue Könnensstadium. Vielfältige Formen des entwickelnden Einsingens sollten sich verbreiten. Denn welche Wege sind beim Liedeinsingen gemeinhin in der Schule verbreitet? An der Tafel steht der Liedertext. Der Text wird gelernt und dann die Melodie hinzugefügt. Ein additives Verfahren! Oft bleibt die Melodie nur etwas


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