- 27 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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ergeben, durch das Zufassen "Jetzt und Hier" bringt er die Geister und den Geist lustig in Bewegung. Damit setzt der Singeleiter ein, um den Schwebezustand zwischen der "Sache", d.h. dem Lied und dem Menschenkreis, zu erreichen. Es gilt einerseits das Lied auszubreiten, es zu verdeutlichen, in Klang, Linie und Gebärde sinnfällig zu machen und andererseits den Menschenkreis, in unserem Falle die Kinder, die Jugendlichen, zum Mitspielen, zum kultivierten Mitsingen zu bringen. Die Empfänglichkeit für das Lied wächst mit dem Wecken der Sinne. Ich zitiere mich selbst:***

"Das Körpergefühl wird angesprochen bei dem Worte "Tanz", das Bewegungsgefühl bei "Schlaf", nämlich im Sinne der gleichmäßigen ruhigen Atembewegungen. Wir fühlen Wärme bei dem Worte "Sonne". Wir merken, wie das Gleichgewicht sich in eine schwerelose Gelöstheit verwandelt bei dem Worte "wiegen". Wir sehen die "Sonne sinken", wir hören "die Wildgänse rauschen" und nehmen eine lauschende Stellung ein bei "Horch, was kommt von draußen rein". Unser Lebenssinn erwacht bei "Wir wollen im grünen Wald ein freies Leben führen", die Gedanken tragen uns fort in "All mein' Gedanken, die ich hab', die sind bei Dir", wir schmecken den "gezuckerten Wein", wir riechen den Duft des "Rösleins", wir spüren den Anruf an das Ich: "Feiger Gedanken bängliches Schwanken". Wir tasten die Hände bei "Bruder, reich die Hand zum Bunde" (selbst wenn wir uns nicht wirklich anfassen)."

In Beispielen ist damit ausgesprochen, was Rudolf Steiner mit den 12 Sinnen gemeint haben kann. Er spricht von den geistigen, den leiblichen und den seelischen Sinnen und meint etwa damit: Körpersinn, Bewegungssinn, Wärmesinn, Gleichgewichtssinn, Sehsinn, Hörsinn, Lebenssinn, Wort- und Gedankensinn, Geschmackssinn, Geruchssinn, Ichsinn und Tastsinn. Die pädagogische Phantasie kann durch diese Nennung uns innewohnender Kräfte m. E. stark angeregt werden, ohne daß dadurch gleich ein Bekenntnis zur Antroposophie gefordert wird. -

Mein Versuch, mit wenigen Worten das umgangsmäßige Verfahren zu charakterisieren, wie es in der entwickelnden Singleitung spürbar wird, mag genügen, um die Besonderheiten anzudeuten, die sich seit dem Aufbruch der Singbewegung entwickelt haben. Wir wünschten

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*** K. Sydow, Wege elementarer Musikerziehung, Kassel 1960


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