- 217 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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eine kleine Konzession an den Staat machte. Andererseits hat mich die Erfahrung mit dem neuen Staat, mit dem Umbruch selbst oft zu der Äußerung veranlaßt, daß diese Institutionen auch nur Schläuche sind, in die man eben einen anderen Wein geben müßte. Er ist immer ein Vorwurf auch an uns, wenn man als Unpolitischer abseits steht und die Dinge geschehen läßt.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Begegnung mit dem Soziologen Hans Freyer, der ja vielfach als ein Mann von rechts angesehen wird. Freyer hatte vor 1933 ein Buch mit dem Titel geschrieben "Revolution von rechts". Dieser Hans Freyer sagte mir damals, das Geschehen könne nur im Blute enden. Es gäbe in der Geschichte kein anderes Beispiel. Die Röhm-Affäre weise darauf hin. Diese Worte hatten mich damals außerordentlich beschäftigt und beeindruckt. -

In der Singarbeit habe ich selber verschiedene Funktionen ausgeübt. Das erste Mal holte mich die deutsche Studentenschaft zu einem Bundestreffen nach Monschau bei Aachen, um dort das Singen anzuleiten. Es war schlechtes Wetter. Man saß in katakombenähnlichen Räumen, zwei riesige Räume, die durch einen Gang verbunden waren. Als Singleiter mußte ich immer zwischen diesen beiden Räumen stehen. Das Singen selbst wurde mit folgender drastischer Rede eingeleitet: "Wie wir singen, ist Mist; was wir singen, ist Mist; jetzt haben wir einen Fachmann, der soll mit uns mal in der rechten Weise singen. Und wer's nicht will, der halte die Fresse." In dieser etwas schwierigen Situation sang ich ein Lied aus den Freiheitskriegen "Heraus, heraus die Klingen, laßt Roß' und Klepper springen, der Morgen kommt heran". Als ich dieses Stück eingesungen hatte, stimmte die Menge spontan das Lied an "Wir sind des Geiers schwarzer Haufen". Damit war meine Leistung und meine Leitung beendet. Ich wurde noch am gleichen Abend verabschiedet.

Man wird natürlich auch fragen, ob nicht die Versuchung an mich herangetreten ist, im Rahmen der Partei oder ihrer Formationen stärker zu arbeiten. Ich habe ständig einen Singkreis der Frauenschaft geleitet. Nun, ich glaube, da ist nichts Böses dabei gewesen.

Es waren einfache Frauen aus dem Arbeiterstand, die dort zum Singen zusammenkamen. Natürlich sang man auch das NS-Liedgut. Aber der Textpathos, wie er bei Parteiveranstaltungen üblich war, kam hier nicht auf. Immerhin habe ich in diesem Zusammenhang auch mal bei


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