- 209 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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unvergeßliche Erinnerungen an Theater und an das Fluidum der Bühne. Es gab auch große Aufführungen am Stettiner Stadttheater, die ich aus Geldmangel nicht besuchen konnte, aber ein Freund von mir, ein temperamentvoller, dunkeläugiger Mann, der aus dem polnischen Heer nach dem ersten Weltkrieg nach Stettin gekommen war, der war immer mit dabei, wenn wir draußen bis zur Pause warteten und in der Pause versuchten, vom dritten Rang aus das Stück vom zweiten Akt ab anzusehen. So habe ich viele Stücke vom zweiten Akt an kennengelernt.

Der eigentliche Anstoß, mit den Dingen des Theaters näher in Kontakt zu treten, geschah in der Schule am Meer. Denn wenn sich mit Luserke etwas in besonderer Art verbindet, dann sind es seine Shakespeare-Aufführungen und seine Shakespeare-Forschung.

Es gibt ja von frühester Zeit an Berichte, wie er in Wickersdorf, in dieser Schulgemeinde Shakespeare gespielt hatte. Luserke hat einen ganz bestimmten Stil vertreten und entwickelt, einen Stil, der sich von anderen Sparten des Laienspiels deutlich abhebt. Am eindeutigsten unterscheidet er sich von dem religiösen, weltanschaulichen Laienspiel, wie es sich vor allem mit dem Namen Rudolf Mirbt verbindet. Hier war Luserke ein ausgesprochener Antipode. Er hat eine Dramaturgie entwickelt, die aus den Shakespeare-Stücken selbst resultiert. Sie schließt in besonderer Art das Arrangement von Sprache, Musik und Bewegung ein. Luserke selber hat diese Shakespeare-Dramaturgie in seinem Buch "Pan-Apollon-Prospero" gültig niedergelegt. In dieser Dramaturgie "Pan-Apollon-Prospero" klingen vier Grundlinien an: die Idee und der Gedankengang, Bewegung, Musik und das Publikum. Die Einbeziehung des Publikums in den Spielvorgang, d.h., daß das Spiel selbst das Publikum einbezieht, daß das Spiel das Publikum umströmt, daß das Publikum mit seinen Reaktionen in den dramaturgischen Ablauf des Spieles mit hineingezogen wird. Ob dieser Zug der Dramaturgie gelungen ist, verdeutlichte sich stets im Lachen und in anderen Reaktionen des Publikums.

Als ich an die Schule am Meer kam, wurde ich zum Musiker einer Spielfahrt, die Luserke zusammen mit einer Gruppe der bündischen Jugend, der deutschen Freischar, als Werbefahrt durch deutsche Städte geplant hatte für den Bau einer Halle auf Juist, die als Lehrstätte für Laienspiel dienen sollte. Es handelte sich im wesentlichen um


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