- 201 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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W.: Das Singen in der Schule hat für Sie einen gleichbleibenden musikpädagogischen Wert?

S.: Das möchte ich nicht leugnen. Ich will mir auch an diesem Punkt nicht untreu werden. Ich meine, wenn ich an Schule denke, dann sehe ich Kinder, und wenn ich Kinder sehe, dann erinnere ich mich auch an ihr Vergnügen, das sie haben können, wenn sie singen. Ich sehe auch und weiß, wie gerne sie ihre Sprechwerkzeuge und ihre Stimme benutzen. Ich weiß auch, wie sehr in solchem Tun der geistige Bezug zugleich miterlernt wird. Diesem allen, einer solchen Bewegtheit durch das Singen, rechne ich immer ein Grundlagenrecht und eine besondere Qualität im schulischen Raum zu.

Diese Lust am Selbertun kann man selbstverständlich auch bei älteren Menschen feststellen.

Das heute wieder auflebende Streben, sich in Folklore- oder Songgruppen zusammenzutun, wobei man sich dann manchmal wild, aber immerhin doch engagiert betätigt, scheint mir Ausdruck dieser Freude zu sein.

[...] Es ist meiner Meinung nach ein Zeichen der Jugendmusikbewegung - oder auch Singbewegung genannt -, daß es nie nur darum ging, etwa ein Musikstück zu lernen, um es dann lediglich zu kennen, sondern daß in dem Vorgang des Beibringens ein Werden ist, daß dieser Vorgang selbst ein Ziel ist. So ist das auch bei dem Vorgang des Einsingens oder des Lernens eines Liedes. Der Vorgang des Einsingens ist selbst Wert und ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Handelns. Man wächst in die zu lernende Sache hinein und in diesem Hineinwachsen liegt schon das Vergnügen.

Es ging also nicht darum, aufzuzählen, daß man jetzt 40 Lieder kenne.

W.: Hinter einer solchen Formulierung sehe ich die Vorstellung, daß Musik in den Lebensvollzug eingebunden einen positiv prägenden Wert in sich birgt, der den Menschen insgesamt positiv beeinflußt. Es bleibt jeweils zu fragen, was unter positiv zu verstehen ist. Aber es könnte beispielsweise das Verhalten den Mitmenschen gegenüber darunter verstanden werden.

S.: Das ist sicher. Mir ist das nicht so sehr in der Schulgemeinde der Schule auf der Insel Juist, aber um so deutlicher beim offenen Singen geworden, beim offenen Singen, wie es Fritz Jöde durchgeführt hat, etwa in der Jungfernheide in Berlin. Dort haben mehrere tausend


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