- 200 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Jahren der Lehrerfortbildung, wie er geradezu zornig zu mir sagte: "Ja, ich weiß schon, Bach für jedermann."

Von meiner Herkunft her war es kaum vorstellbar, daß ich mich je hätte bescheiden können mit dem Singen und der Weitergabe von Volksliedern. Für mich ist die Vielschichtigkeit der Musik immer eine Selbstverständlichkeit gewesen. Den Situationen entsprechend, in die ich jeweils gestellt war, dominierte mehr die eine oder die andere Musikart. Und wenn ich in der Zeit der sechziger Jahre die klassisch-romantische Musik wieder stärker für mich entdeckt habe, dann war das eine Wiederentdeckung einer Musik, die ich schon einmal geliebt habe.

In diesem Zusammenhang muß man auch bedenken, daß das Lehren im Volksschulbereich nach dem Kriege nur mit außerordentlich begrenzten Möglichkeiten gegeben war. Mit der anwachsenden Verfügung über technische Mittler eröffnete sich dann auch der Volksschule ein ganz anderer Horizont. Schon 1956 habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß es auch für die Volksschule weit mehr Möglichkeiten gibt, als sich auf das Singen zu beschränken. Aber die Tendenz im Rahmen der damaligen Lehrerbildung richtete sich auf diese Beschränkung.

W.: Bei manchen Autoren der zwanziger, dreißiger Jahre findet man Hinweise - etwa bei Halm -, ein möglichst breites Spektrum in den Musikunterricht einzubeziehen. Wie war das während Ihrer Tätigkeit in der Schule am Meer?

S.: In der Schule am Meer wurde Musik sehr vielschichtig betrieben. Wir hatten in jeder Woche einen Musikabend, an welchem Werke der Kunstmusik musiziert wurden, genauer, eingeführt und musiziert wurden. Es handelte sich dabei um die großen Werke der Literatur von Bach, Beethoven bis in die Moderne. Ich gebe zu, daß die Romantik wenig vertreten war. Manchmal war es wie eine Sensation, wenn wir ein Schubert-Trio gespielt haben. Und ich erinnere mich noch genau der Empörung von Zuckmayer, als ein Schüler der Oberstufe dazu eine Filmreportage schrieb. Denn dieser Schüler war es gewöhnt, jeden Morgen ein Bachsches Präludium zu hören - ein Präludium aus dem "Wohltemperierten Klavier". Jeden Morgen hörte die Schulgemeinde dieses Präludium stehend an. Doch an den Musikabenden wurde ein wesentlich breiteres Spektrum der Musikliteratur geboten.


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