- 20 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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zu werden. Aber was im Laienspiel als fröhliche Reimerei der Darstellung dient, bleibt im Lied oft billig und läßt unerfüllt.

3. Andere Texte haben oft ein Inhaltspathos. - Dazu: Eine Gattung von neuen Liedern ruft unangenehme Erinnerungen wach, jedenfalls bei der älteren Generation. Im Gefolge der politischen Ereignisse um 1933 entstanden viele Lieder, die den Morgen im Zeichen des Aufbruchs in allen Varianten zum Inhalt hatten. Auch jetzt begegnen uns erneut solche jungfrischen Morgenlieder. Sie wecken zumindest Reminiscenzen an eine unglückliche Epoche und tragen in sich ein unglaubwürdiges Pathos, unglaubwürdig und voller Selbsttäuschung.

4. Das Wort-Tonverhältnis zeigt Willkür. - Dazu: Das empfindliche Ohr entdeckt zuweilen, wie sprachlich-rhythmische Sinneinheiten melodisch überspielt werden und Dehnungen und Akzente sich auf unwichtige, recht eigentlich unbetonte Worte verteilen. Die Musiker sollten auch für sprachliche Form hellhörig sein und ihr in den Liedweisen gerecht werden. (Auch das alte Volkslied kennt Dehnungen auf unbetonten Silben; die Frage bleibt, wo ist es Stilmittel und wo Willkür.)

5. Neue Melodien sind formelhaft gebildet. - Dazu: Es kann nicht ausbleiben, daß bei der Entstehung vieler Lieder formelhafte Wendungen typisierend wiederkehren. So sehr das Spiel mit melodischen Formeln im Zeichen der Improvisation zu bejahen ist, so wenig besteht die Notwendigkeit der Veröffentlichung solcher Weisen. Vollends überflüssig erscheint die Publizierung von Kinderliedern in der Formelsprache. Gedenken wir eines Beispiels, in dem unter Ausnutzung aller Erkenntnisse über das Kinderlied dem Komponisten doch eine eigene musikalische Aussage gelingt, jede Weise den Stempel des Komponisten trägt: Hindemiths "Wir bauen eine neue Stadt".

6. Neue Lieder zeigen eine schillernde Klangfreudigkeit bei Schlußbildungen. - Dazu: Oftmals ist es in der Tat, als ob die "7-farbige klangliche Wunderblume" zum Schluß noch einmal aufgeblendet werden müßte. Alle Singstundenleiter wissen natürlich, wie wichtig das gelegentliche Sich-selbst-genießen im Klang ist, wie eine Befreiung im Sinne des Jodlers dadurch erfolgen kann. Häufen sich aber solche Liedschlüsse und Rufe und Intonationen, so wird daraus eine Manie, der der Anspruchsvollere leid wird.


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