- 157 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Modellcharakter von Béla Bartóks Mikrokosmos 20

Ähnlich, wenn auch in anderer Weise als im Orff-Schulwerk, ist im Mikrokosmos eine Musiklehre enthalten. Bartók bindet die Beispiele für die Klavierübung bzw. den Tonsatz immer an einen vorgegebenen Tonraum, der sich von der Pentatonik bis in den Zwölftonraum erstreckt. Mit dem vorgegebenen Tonmaterial können - im Sinne unseres Themas - die Satztechniken variiert erprobt werden: Parallelbewegung - Gegenbewegung - Nachahmung - Nachahmung in der Spiegelform - Nachahmung in der Oktav - Spiel mit zwei Fünftonreihen u.a. Zum Selbstschaffen gehört auch das Instrumentieren. Viele der Bartók-Klavierstücke bieten sich zum Textieren und Singen, andere zum Übertragen auf Instrumente an.

Der Modellcharakter kann sich besonders fruchtbar auswirken für ungebundene Versuche. 1. Beispiel: Melodie im Nebelgrauen. (Bd. IV,107). Die Idee ist, daß sich viermal aus einem diffusen Klang ein Melodiebogen heraushebt. - 2. Beispiel: Schalmeienklang (III, 88) - Anregung: Das Blasen oder Rufen von Berg zu Berg, - Antwort und Gegenfrage - Bestätigung -. 3. Beispiel: Ringen (IV, 108). - Um einen feststehenden Ton kreisen, stoßen andere Töne. Der feststehende Ton wechselt, das Spiel beginnt von neuem, bis bei seiner dritten oder vierten Position eine Konsonanz erreicht wird. - 4. Beispiel: Bulgarischer Rhythmus (IV, 113). - Auf dem Grunde eines gleichbleibenden 7/8-Rhythmus erklingt eine vierzeilige Melodie. Anregung: Den Siebenerrhythmus als Knieschlag und dazu eine Melodie pfeifen.

Rahmenformen. Dabei handelt es sich um vorgegebene Formschemata, die auszufüllen und abzuwandeln sind. Der Weg geht vom gehörten Werk, der erkannten Form, zu planvollen Eigenversuchen. Dazu eignet sich vieles, was die Formenlehre seit eh und je ins Bewußtsein gehoben hat. Doch liegt die Grenze, wenn auch nicht absolut, bei den geschlossenen Formen. Es gehören also dahin Liedformen (Singzeile, Strophe, Bogen, Bar, Reprisenbar), Tanzformen (alte und neue Tanzformen) und Variationsformen wie Passacaglia und Chaconne.

Je mehr man über den Tonraum der Pentatonik hinausgeht, umso zwingender wird die Frage nach den vertikalen Ordnungen, nach den

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