- 145 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Geräuschen, Klängen und Rhythmen macht die Vorgänge sinnfällig, zwingt in den Gang der Handlung und bewirkt den Zauber der Geschichte (folgen Ausschnitte). Ich darf auf meine Abhandlung "Sprache und Musik im darstellenden Spiel" 12 verweisen, in der die Musik in der Dramaturgie eines Bert Brecht, im Bewegungsspiel eines Martin Luserke und im Musiktheater Carl Orffs dargestellt wird. Diesen verschiedenen Gestaltungsprinzipien kann man je nach Einsicht und Vermögen folgen. Die Stilbildung wird jeweils verschieden sein, aber jede ist wert, verkündet zu werden. Ohne also darauf näher einzugehen, mache eine zweite Passage aus Henzes Tagebuch "Undine" den Beschluß, die vielleicht geeignet ist, unsere Gedanken und Sinne für die Musik im Spiel freizusetzen.

Theaterleute empfehlen einem gern die Wiederkehr von einmal erklungenen Musiken (Klängen, Themen, Motiven, Rhythmen - in der Tat geben sie viel Übersichtlichkeit und Untermauerung), aber dies unbewegte Wiedereintreten eines Gedankens in die Aktion hat etwas Handfestes, Mechanisches, während mir scheint, daß die Musik auf dem Theater in poesievoller Weise aufzeigen sollte, wie die Zeit dramatisch vorüberstreicht und wie nichts wiederkehrt. Man könnte vielleicht darin von einer Epoche lernen, in der das Leitmotiv noch nicht gefunden war. Es wird nie wieder, wie jetzt, 14 Uhr, an diesem Märztage sein. Eine Musik, selbst wenn wir sie auf der gleichen Schallplatte hören, unter den gleichen äußerlichen Voraussetzungen wie gestern, ist anders, als sie es gewesen war, oder anders, als wir sie gestern hörten. Von der Aktivität der Hör- und Schreibphantasie, unberechenbar wie sie ist, wissen wir nur, daß sie uns nicht auf Dinge zurückkommen läßt, die wir einmal erfunden haben, sie beschäftigen uns nicht mehr, nachdem sie einmal auf dem Papier festgelegt sind. Daraus müßte folgen, daß sich die oben erwähnten Wiederkehr Prinzipien, die dem Drama dienen sollen, nur verantworten lassen, wenn sie in einen ganz poetischen Geist eintreten, unter Zwang, als Umwandlung ihres vorherigen Sinns, als Verkehrung oder schließlich als Variation, adäquat den Veränderungen und Entwicklungen menschlicher Vorgänge in der Aktion. So hielte sich die Musik gleichermaßen weit entfernt vom Sklaventum des Leitmotivs und von der Verbindungslosigkeit des sogenannten "konzertierenden Theaters".

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aus der zweiten Tagung "Musik in Volksschule und Lehrerbildung". Wolfenbüttel 1966.


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