- 140 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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verwirklichen. Das "Mäh, mäh" von Schafen auf die Platte gebannt, unterliegt im Vergleich dem nachahmenden Tierlaut durch menschliche Stimmen. Ich habe die höchste Bewunderung für die akustische Phantasie und deren Realisierung von Akteuren aller Art. Um der Vollständigkeit willen sei auf das Handwerkszeug der Geräuschentfaltung hingewiesen. Zu allererst das Körperinstrument: Mit den Füßen läßt sich stampfen und tapsen, schlurfen und marschieren, trampeln und Hacken zusammenschlagen. Schritte können lauter und leiser werden, schneller und langsamer. Auf Holzpantinen kann man klappern. Mit hohlen Händen bis zu gespannten Händen lassen sich Klatschgeräusche verschiedenartiger Färbung erzeugen. Die Fingernägel können kratzen, mit Daumen und Mittelfinger kann man schnalzen. Welch' eine Skala der Geräuschimitation ermöglichen unsere Sprachwerkzeuge! Selbst die Sprache der Fische scheint eingefangen, wenn die Lippen ohne Lautbildung aufeinanderschlagen. Vom Hauchen über das Stöhnen und Ächzen, vom Knarren über das Winseln und Heulen, vom Zischen und Pfeifen bis zu nie geahnten Urlautbildungen - etwa den Todeslaut einer abgestochenen Sau -, dergleichen geben unsere Stimmbänder, verbunden mit dem Mund-, Nasen- und Rachenraum, mit der Atmung und mit den Resonanzen her, wenn situationsgerechte Vorstellungen wach sind und man sich Zeit nimmt, den treffenden Ton der Geräuschskala zu finden. Das nicht "photographierte" Geräusch, sondern das mit natürlichen Mitteln kunstvoll erzeugte und rhythmisierte braucht, wie alles Musikalische, in der Szene Raum und Zeit. Es geht dabei nicht um Untermalung, um Geräuschkulisse, um ein Nebenbei, sondern um einen mitagierenden Faktor. Das Geräusch muß Ereignis sein. Der Spieler ist genötigt, darauf zu reagieren, das Geräusch zwingt zu handeln, der Spieler handelt mit dem Geräusch. Der Zuschauer wird aufmerksam, wird dadurch akustisch hellwach und in erweitertem Maße in seinen Sinnen angesprochen.

Klänge

Gerhard Nestler 5 hat die Geschichte der musikalischen Form nach den jeweils dominierenden Gestaltungsmitteln gegliedert. Er spricht vom Zeitalter der rhythmischen Formen, der melodischen Formen, vom Zeitalter der kategorialen Synthese und von der Periode der


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