- 12 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Da alle Bewegungserfahrungen im Raum gemacht werden müssen, entwickelt sich mithin der Raumsinn. Der nun wiederum kommt jeglichem Musizieren zugute, indem wir anfangen, die vorzutragende Musik in ein Verhältnis zum Raum zu setzen. Die Singbewegung hat ja weithin ihr geselliges Singen mit dem Raum und der Raumbewegung verbunden. Der Kanon als Singradel im Kreis gesungen, der getanzte Kanon, das in der Polonaise gesungene und geschrittene Madrigal, die Wechselchöre in Gegenüberstellung usw. Die musikalische Überlieferung begegnet den Neuversuchen mit dem Quempas-Singen, dem Singen von verschiedenen Emporen eines Kirchenraumes durch Weitergeben der Melodiezeilen, den Echokompositonen von Orlando di Lasso bis zu Haydns instrumentaler Echokomposition in "zwei Zimmern zu spielen". Wenn auch das Darbieten von Kunstwerken an einen festen Platz gebunden ist, so kann doch die wachgewordene Phantasie oder besser ein entwickelter Raumsinn die günstigste Stelle ausfindig machen und Möglichkeiten finden, die zu einer Belebung auch von dieser Seite her beitragen können.

Die Wiedergewinnung organischer Zusammenhänge - der Mensch als Maß des Musizierens - kann natürlich zu einer Bescheidung und Anspruchslosigkeit im geistigen Sinne verführen. Aber alle diese Ansätze der Wiedergewinnung vom Atem, von der Stimme, von der Bewegung müssen bis in ihre letzte Möglichkeit erprobt werden und ihre greifbaren Ergebnisse müssen in unsere Musik und Musikerziehung einfließen, sofern sie nicht überhaupt eine eigene Kultur entwickeln. Sicher ist, daß diese Bewegung des "Natürlichen" ihre Lebensformen neu geprägt hat; in erster Linie ihre Geselligkeit, ihren geselligen Umgang miteinander, dem mitmenschlichen Bezug zueinander. Das geistige Suchen darüber hinaus geht dabei verschiedene Wege. Deutlich zeichnet sich die liturgische Erneuerung ab, die nur aus der Wirksamkeit von Menschenkreisen denkbar ist, die im singenden Miteinander sich um die geistlichen Werte erneut bemühen.

Unabhängig davon stürmt eine "kulturelle" Entwicklung, die ständig musikalische Eigenwerte und Werke schafft, deren Ringen um absolute Werte außer Frage steht, deren Trägerschaft vom rein Gesellschaftlichen bis in die Reihen der großen Persönlichkeiten geht. In diesen Bereich gehört die Auffassung, wie sie von dem zeitgenössischen Komponisten geäußert wurde. Sie ist nur von einer Entwicklung her zu verstehen, die einer Theorie, einer Idee anhängt, die die menschliche Beziehung im Organischen nicht sucht, wie es die "Musische Erziehung" tut. Die Musik der Klassik öffnete den Weg zu


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