- 108 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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singt vorweg der ist, dann fallen die anderen ein der ist, oder der Baß singt wer aber, dann kommen die anderen Stimmen wer aber. Auch das Nachraunen der Worte nicht hat erfolgt mehrere Male. Die Ausdruckssteigerung vom Harmonischen her erfolgt ständig durch Septimen- und Sekundakkorde. Dieser Nachsatz zur Fuge ist die eigentliche Mitte des Werks; musikalisch die ausdrucksstärkste Stelle, entspricht sie inhaltlich dem Anliegen der Motette. Akkordisch dichte Musik aus der Sprache, von rhetorischer Eindringlichkeit, gibt dem Gedankeninhalt beschwörende Kraft.

Nach der erregten Choralstrophe Weg mit allen Schätzen setzt der dritte Bogen in vollkommener Beruhigung ein. Die Wahl der Stimmlagen Baß, Tenor, Alt versteht sich als Widerspiel zu dem ersten Terzett mit den hellen Stimmen. Auch erinnert sie an den Gebrauch bei Schütz, der immer dann, wenn es um Gerechtigkeit geht oder um die Worte des Priesters, dunkle Stimmigkeit bevorzugt. Der Römervers 10: So aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist das Leben um der Gerechtigkeit willen erfährt in der Komposition wieder eine kontrastierende Gestaltung. Im ersten Teil dominieren die Vorstellungen des Sterbens. Die verminderten Dreiklänge steigern den schmerzlichen Ausdrucksgehalt. Die Grundbewegung im 12/8 Takt entspricht einem Pastorale, das Wort- Tonverhältnis ist "Musik aus der Sprache". Im zweiten Teil entsteht "Musik gegenüber der Sprache". Das Leben im Geiste wird durch überaus reiche melodische Wellenbewegungen symbolisiert. Das Wort geht vollkommen unter, und im musikalischen Vorgang vollzieht sich der Sinn der Worte der Geist aber ist das Leben.

Es folgt als Abgesang an die Welt die Choralvariation Gute Nacht o Wesen. In der ersten Choralvariation Trotz dem alten Drachen floß die melodische Substanz des Chorals in die Komposition selbst. Bei diesem Stück dient der Choral als cantus firmus, d.h. seine Melodiezüge treten mit großen Unterbrechungen in der Altstimme auf, während über der Tenorführung 1. und 2. Sopran ein Duo singen. Die Tenorführung hat durchaus den Charakter eines Generalbasses, allerdings bei zartgliedriger und schwebender Linienführung. Durchsichtigkeit zeichnet diese Choralvariation aus. (Bach benutzt Teile der Tenorstimme als Generalbaß in der Violin-Sonate in G.) Die Technik eines cantus firmus-Stückes, in dem die tragende Melodie in der Mitte


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