- 105 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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gleichzeitige Erklingen verschiedener Wortsatzteile zerstückelt ihren Sinn. Ungeachtet dessen lebt in der Fuge gerade die Idee einer Spiegelung göttlicher Ordnung. Dieses Chorfugato wird klingende Gestalt für das "Wandeln im Geist". Der Text sagt es in logischer Folge: Die nicht nach dem Fleische wandeln, und dann: sondern nachdem Geist. Die Musik verwirklicht allein das Wandeln. Über diese Grundvorstellung erhebt sich das Geflecht der Stimmen, oder anders gesagt, das Geflecht der Stimmen bewirkt die Vorstellung des Wandelns. Das unendliche Weiterschreiten verdeutlicht sich schon in der einzelnen Stimme. Von dem polyphonen Teil aus sollte rückwärts und vorwärts die Gangart des ganzen Satzes bestimmt werden, nämlich: gemessenes Schreiten.

Daß Maß des 3/2 Taktes verursacht Schwerpunktbildung in ungerader Reihenfolge. Körperhaft verstanden wechseln die Schwerpunkte vom rechten zum linken Fuß. Geistig verstanden ist der Dreiertakt Symbol der Dreieinigkeit, das ursprüngliche Schriftzeichen dafür war der Kreis.

Der zweite Teil des Satzes beginnt mit den ersten beiden Zeilen des Anfangs, nun nicht in e- sondern in h-moll. Bevor die Weiterführung des Fugato wieder einsetzt, ordnet sich ein polyphones Gebilde dazwischen, in dem jede Stimme - sich selbst erregend - auszusagen sucht: Es ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind. Es entsteht eine rhetorische Partie. - Das Fugato gliedert bei der Wiederkehr die Stimmen in anderer Reihenfolge. Folgten beim ersten Mal Tenor, Alt, Sopran I, Sopran II und Baß aufeinander, so beginnt jetzt in viel lockerem stimmlichen Gewebe der Alt, es folgen erster und zweier Sopran, dann Tenor und Baß. Die bewegte Achtelstelle am Schluß übernimmt anstatt der Altstimme der Tenor. Der akkordische Schluß endet in E-Dur. - Der Parallelsatz erweitert das Fugato in der zuerst aufgetretenen Ordnung des ersten Satzes um zwei Takte in der Endführung. Der harmonische Klang wird dadurch noch mehr aufgehellt. Die Ausweitung der Schlußakkorde durch die melodische Floskel des Soprans auf das Wort Geist bestärkt vollends die Absicht des Komponisten, im Musikalischen einen Sinn zu verwirklichen, auf den der Text hinweist. Der Choral "Unter Deinen Schirmen" antwortet auf diesen motettischen Satz. Der zweite Bogen beginnt dreistimmig für hohe Stimmen, also 1. Sopran, 2. Sopran, Alt. Die Schwerelosigkeit


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