Diese Geschenkewirtschaft ist praktisch der Offline-Vorgänger des Cooking-Pot-Modells
des Internets.
Als die universitäre Forschung das ARPAnet in den 1970er Jahren zu nutzen beginnt,
gehen die Wissenschaftler selbstverständlich davon aus, dass sämtliche Informationen
kostenlos über das neue Kommunikationssystem verteilt werden sollen. Die kostenlose
Distribution von Erkenntnissen ist die effizienteste Methode zur Lösung allgemeiner
Probleme in einem bestimmten wissenschaftlichen Fachgebiet. Durch das Einbringen von
Forschungsergebnissen erweitert jeder Wissenschaftler das kollektive Wissen und erhält
gleichzeitig den Zugang zu sämtlichen Informationen, die andere in das Netz einspeisen.
Kein Wissenschaftler kann dabei soviel in das Netz einspeisen, wie ihm zur Verfügung
gestellt wird.
Die Wissenschaftler des ARPAnet kommen gar nicht auf die Idee, ihre Informationen
als Ware zu betrachten, sondern fördern ihre Karriere dadurch, dass sie die
Ergebnisse ihrer Arbeit »verschenken«. Dadurch, dass sie mit dem Internet
ein Kommunikationssystem für den Eigenbedarf schaffen, verankern sie diese
Arbeitsmethoden in den Technologien des Netzes. Die Architektur des Systems ist
so ausgelegt, dass zahlreiche Kopien von Dokumenten im gesamten Netzwerk
gespeichert werden können. Auch wenn sich der Kreis der Internetnutzer
mittlerweile weit über den Hochschulbereich hinaus erweitert hat, ist das Netz
technisch immer noch so ausgelegt, dass jegliche Information ein »Geschenk«
ist.11
6.3. Die Ethik der Hacker
Hacker werden in den Medien immer wieder als eine Art »Verbrecher des Internets«
dargestellt, die Sicherheitscodes großer Firmen oder Banken »knacken«
und allerlei Schaden anrichten. Im Szene-Jargon werden solche Personen
jedoch als »Cracker« bezeichnet. Dieser Begriff ist durchaus abwertend
gemeint, denn das Umgehen von Sicherheitstechnologien wird innerhalb der
Szene nicht als kreative Leistung, sondern höchstens als Mittel zum Zweck
anerkannt.12
Vgl. Gröndahl, Boris: The script kiddies are not alright. In: Medosch, Armin und Röttgers,
Janko (Hrsg.): Netzpiraten. Die Kultur des elektronischen Verbrechens. Heinz Heise Verlag.
Hannover 2001. S. 143
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Die »wahren« Hacker sind ihrem Selbstverständnis nach »unorthodoxe, genialische
Programmierer, die dem Ideal der Informationsfreiheit verpflichtet sind, staatliche
Autorität, gewisse Großunternehmen (IBM, Microsoft) und einige kulturelle Konventionen
ablehnen.«13
Ihren Ursprung hat die Hacker-Szene in der US-amerikanischen Studentenschaft der
1950er bis 1970er Jahre am »Massachusetts Institute of Technology« (MIT). Diese hatte
sich damit auseinander zu setzen, dass Computer und Rechenzeit knapp waren oder
knapp gehalten wurden. Der Journalist Steven Levy formuliert 1984 zum ersten Mal eine
»Hacker-Ethik«:14
Levy, Steven: Hackers. Heroes of the Computer Revolution. 3. Auflage. Penguin Books. New
York 2001. S. 40ff
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