durch, die wir in Deutschland schon haben. Und um das noch mal ganz
klar zum Abschluss zu sagen: England und Frankreich waren im vergangenen
Jahr, im Jahr 2001, die letzten Märkte, die einen Umsatzzuwachs hatten.
Alle anderen Staaten haben zum Teil drastische Rückgänge im Musikumsatz
gehabt, und es ist keinesfalls so, dass Deutschland da die Ausnahme war,
Deutschland war nur ein bisschen früher dran. England und Frankreich waren
die Ausnahme, und an der Entwicklung des Musikabsatzes in England sieht
man, dass sie im Jahr 2002 wahrscheinlich nicht zu den Ausnahmen zählen
werden, sondern zu denen, die auch einen Verlust verbuchen.
J. S.: Ich könnte mir vorstellen, dass die Probleme der Plattenfirmen zum Teil
auch ein Imageproblem sind. Für den Konsumenten sieht es so aus, als ob er
siebzehn bis achtzehn Euro pro CD an die Plattenfirmen bezahlt, wohingegen
die eigentlich Musik Schaffenden doch die Musiker und Bands sind. Aus diesem
Grunde trifft der Download eines Musiktitels aus dem Internet vermeintlich
nicht den Musiker, sondern einen reichen internationalen Konzern. Da ist die
moralische Hemmschwelle dann natürlich niedriger.
H. S.: Ja genau, wir haben ein Imageproblem als Branche, das ist ganz klar.
Einer der Gründe ist, dass die Leute sich gar nicht klar machen, dass die Preise
von CDs natürlich nicht von der Musikbranche gemacht werden, sondern von
dem Händler, bei dem sie kaufen. Genauso wie der auch die Preise für Rama
und für Schlafanzüge macht, nur da wissen es die Leute und vergleichen deshalb
die Preise. Bei der Preisdiskussion bin ich immer ein bisschen empfindlich, weil
jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, erstens weiß, dass er eine CD
bei Rossmann für zwei Euro kaufen kann, und zweitens die Preise vergleichen
kann. Ich sage das Folgende ausdrücklich nur als Beispiel, aber als gutes: Ich
habe die neue Grönemeyer-CD in einer Preisbreite von dreizehn bis neunzehn
Euro gesehen. Und natürlich kann man neunzehn Euro für relativ viel und
dreizehn Euro für relativ wenig halten, und je nachdem, wie viel man selbst
bezahlt hat, wird man sagen: »Die Preise für CDs sind aber teuer«, oder man
wird sagen: »Das war aber günstig«. Nicht wir machen die Preise, sondern
die Händler machen die Preise. Hinsichtlich der Künstlervergütung sind wir
in einem Dilemma, aus dem man gar nicht recht entkommen kann. Natürlich
ist es so, dass Madonna auch dann wirtschaftlich überleben wird, wenn Sie
persönlich sich heute Abend von der CD ihrer Freundin eine Kopie machen
und kein Original kaufen. Madonna wird davon nicht Pleite gehen. Aber, und
das wird oft unterschätzt: die Musikwirtschaft hat mit ca. 90 Prozent ihrer
Produktionen einen ökonomischen Misserfolg. Aus finanzieller Sicht werden
das Flops. Mit 10 Prozent der Produkte wird richtig Geld verdient, und diese
10 Prozent finanzieren die anderen 90 Prozent der Produkte mit. Und wenn
mit einem erfolgreichen Künstler, und ich sage das als fiktives Beispiel, nicht
fünfhunderttausend, sondern nur vierhunderttausend verkauft werden, dann
reicht das immer noch, um damit ein erfolgreiches Produkt zu feiern. Aber
die einhunderttausend, die da fehlen, die sind fehlende Einnahmen. D. h.
die letzten einhunderttausend, die die Plattenfirma nicht verkauft, weil die
stattdessen geklont werden, die sorgen dafür, dass anschließend zehn oder zwölf
unbekannte Hamburger Rockbands keinen Plattenvertrag bekommen können,