von Leuten gibt, die sagen: »Ich habe
ein persönliches Interesse daran, dass ganze Grönemeyer-Album im Schrank
zuhause zu haben.«. Natürlich gibt es auch die schnell drehenden Titel, die
heute fünfzigtausend Stück verkaufen und nächste Woche weiß man nicht
mehr, wie der Künstler heißt. Das gehört ein bisschen zu unserem Business
dazu. Keiner von uns hat wirklich prophetische Gaben, was die Menschen
morgen kaufen, das kann man heute immer nur einzuschätzen versuchen, und
da kann man einen Treffer landen oder auch daneben liegen. Insofern gehört
zum ökonomischen Handeln der Musikbranche die Möglichkeit, einen Erfolg
oder auch einen Misserfolg zu landen, automatisch dazu, und jeder, der ein
bisschen länger dabei ist, hat auch solche und solche Erfolge. Ich sehe offen
gestanden nicht, dass sich daran etwas ändern lässt. Ich glaube aber auch nicht,
dass das, was Sie eben mit dem Slatko-Titel beschrieben haben, wirklich der
Trend ist, den die Musikbranche geht. Wir haben ein Segment, in dem das so
geht, und wir haben Segmente, in denen ist es ganz anders.
J. S.: Wobei Herbert Grönemeyer, um Ihr Beispiel aufzugreifen, natürlich aus
einer Zeit stammt, in der es natürlich noch ganz anders war. Er hat seinen
Fankreis in zwei Jahrzehnten aufgebaut und dementsprechend gibt es auch
eine Nachfrage nach seinen CDs. Die Frage ist jedoch, ob heutzutage Musiker
überhaupt noch die Chance bekommen, sich über einen so langen Zeitraum
zu entwickeln und ganze Alben aufzunehmen, anstatt nur eine Hit-Single zu
veröffentlichen.
H. S.: Ich denke, so ein Kulturpessimismus ist nicht angebracht. Wenn
jemand sagt, die zwanziger Jahre waren golden, dann kann ich diese
Denkweise eigentlich nur bei älteren Leuten akzeptieren. Es gibt auch ein paar
Gegenbeispiele, die für die Zeit von heute gelten. Jemand, der noch nicht
zwanzig Jahre dabei ist, ist Xavier Naidoo. Laith Al-Deen, den kannte im
letzten Jahr kaum einer. Alicia Keys, ein internationaler Top-Star, war vor
zwei Jahren absolut »no name«, und es spricht viel dafür, dass man sie in
zwei Jahren auch noch kennt. Ob man sie in zwanzig Jahren noch kennt, das
weiß ich auch nicht so genau, aber es ist wirklich nicht so, dass man sagen
könnte: heute werden im Wesentlichen ein, zwei Hits produziert, das reicht
gerade noch für eine Single, wenn man ein paar Remixes draufmacht, dann
verkauft man ein Produkt erfolgreich und danach hört man nie wieder etwas.
Das gibt es, aber das ist auch heute nicht die Regel. Es gibt einen relativ
konsequenten Künstleraufbau, weil es immer noch in den A+R-Abteilungen
der Musikunternehmen Leute gibt, die ihre Arbeit aus Liebe zur Musik und
aus Liebe zu den Musikern machen, die da auf der Bühne stehen und bei
denen man ganz genau weiß: Vom ersten Album verkaufen wir, wenn es gut
läuft, fünftausend Stück, und wir sehen zu, dass wir Stück für Stück mit dem
zweiten und vielleicht dem dritten Album etwas produzieren, was auch ein
ökonomischer Erfolg werden kann. Die Musik, die sich wenig verkauft, die
muss ja keine schlechte Musik sein, die hat nur aus irgendwelchen Gründen,
und das können viele Gründe sein, ein größeres Publikum nicht erreicht. Dann
ist das eben so, das muss man dann eben manchmal wohl auch einsehen,
aber es gibt, wie schon angerissen, sowohl international als auch national ein
paar richtig gute Gegenbeispiele. Musik ist so etwas wie eine anthropologische
Grundkonstante, ich denke, sie gehört zum Alltag fast jedes Menschen dazu.