- 105 -Strack, Jan: Musikwirtschaft und Internet 
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von Leuten gibt, die sagen: »Ich habe ein persönliches Interesse daran, dass ganze Grönemeyer-Album im Schrank zuhause zu haben.«. Natürlich gibt es auch die schnell drehenden Titel, die heute fünfzigtausend Stück verkaufen und nächste Woche weiß man nicht mehr, wie der Künstler heißt. Das gehört ein bisschen zu unserem Business dazu. Keiner von uns hat wirklich prophetische Gaben, was die Menschen morgen kaufen, das kann man heute immer nur einzuschätzen versuchen, und da kann man einen Treffer landen oder auch daneben liegen. Insofern gehört zum ökonomischen Handeln der Musikbranche die Möglichkeit, einen Erfolg oder auch einen Misserfolg zu landen, automatisch dazu, und jeder, der ein bisschen länger dabei ist, hat auch solche und solche Erfolge. Ich sehe offen gestanden nicht, dass sich daran etwas ändern lässt. Ich glaube aber auch nicht, dass das, was Sie eben mit dem Slatko-Titel beschrieben haben, wirklich der Trend ist, den die Musikbranche geht. Wir haben ein Segment, in dem das so geht, und wir haben Segmente, in denen ist es ganz anders.
J. S.: Wobei Herbert Grönemeyer, um Ihr Beispiel aufzugreifen, natürlich aus einer Zeit stammt, in der es natürlich noch ganz anders war. Er hat seinen Fankreis in zwei Jahrzehnten aufgebaut und dementsprechend gibt es auch eine Nachfrage nach seinen CDs. Die Frage ist jedoch, ob heutzutage Musiker überhaupt noch die Chance bekommen, sich über einen so langen Zeitraum zu entwickeln und ganze Alben aufzunehmen, anstatt nur eine Hit-Single zu veröffentlichen.
H. S.: Ich denke, so ein Kulturpessimismus ist nicht angebracht. Wenn jemand sagt, die zwanziger Jahre waren golden, dann kann ich diese Denkweise eigentlich nur bei älteren Leuten akzeptieren. Es gibt auch ein paar Gegenbeispiele, die für die Zeit von heute gelten. Jemand, der noch nicht zwanzig Jahre dabei ist, ist Xavier Naidoo. Laith Al-Deen, den kannte im letzten Jahr kaum einer. Alicia Keys, ein internationaler Top-Star, war vor zwei Jahren absolut »no name«, und es spricht viel dafür, dass man sie in zwei Jahren auch noch kennt. Ob man sie in zwanzig Jahren noch kennt, das weiß ich auch nicht so genau, aber es ist wirklich nicht so, dass man sagen könnte: heute werden im Wesentlichen ein, zwei Hits produziert, das reicht gerade noch für eine Single, wenn man ein paar Remixes draufmacht, dann verkauft man ein Produkt erfolgreich und danach hört man nie wieder etwas. Das gibt es, aber das ist auch heute nicht die Regel. Es gibt einen relativ konsequenten Künstleraufbau, weil es immer noch in den A+R-Abteilungen der Musikunternehmen Leute gibt, die ihre Arbeit aus Liebe zur Musik und aus Liebe zu den Musikern machen, die da auf der Bühne stehen und bei denen man ganz genau weiß: Vom ersten Album verkaufen wir, wenn es gut läuft, fünftausend Stück, und wir sehen zu, dass wir Stück für Stück mit dem zweiten und vielleicht dem dritten Album etwas produzieren, was auch ein ökonomischer Erfolg werden kann. Die Musik, die sich wenig verkauft, die muss ja keine schlechte Musik sein, die hat nur aus irgendwelchen Gründen, und das können viele Gründe sein, ein größeres Publikum nicht erreicht. Dann ist das eben so, das muss man dann eben manchmal wohl auch einsehen, aber es gibt, wie schon angerissen, sowohl international als auch national ein paar richtig gute Gegenbeispiele. Musik ist so etwas wie eine anthropologische Grundkonstante, ich denke, sie gehört zum Alltag fast jedes Menschen dazu.

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