- 70 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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wird, die schönen Trompeten, die dazu blasen, gewissermaßen mit der Person Mahlers ineinsgesetzt werden. Zum methodischen Vorgehen: Was kann man über Musik sagen, wie über sie reden? Sicher über technische Sachverhalte. Doch glücklich ist der, der interpretiert oder analysiert, wenn er einen Text zur Hand hat, der ihm verbale Hilfe gibt und ihm Vokabeln reicht. Aber wie soll man Musik ohne beigefügte Verbaltexte verstehen? Aufhebung von Wirklichkeit durch Ironie herbeizuführen, ist mit den Mitteln der Sprache einfach, hier aber versagt Musik. Die Grundfrage: Können komponierte Texte einen Musiksachverhalt und seinen vermuteten gesellschaftlichen Hintergrund befriedigend, also gewissermaßen kompensatorisch deuten?


Döpke: Die Schwierigkeit sieht Adorno wohl; er löst sie auf, indem er sich auf die Autorität der ästhetischen Erfahrung und der ästhetischen Kompetenz bezieht: Also wenn einer, der darüber verfügt, an ein Stück herangeht und subjektiv das und das "herausholt" an Gehalt, dann habe das eine gewisse Objektivität. Das ist natürlich schwankender Boden oder auch, wenn man so will, ein dialektischer Trick, die angesprochene Schwierigkeit zu umgehen: Aber sie verschwindet damit überhaupt nicht aus der Welt. Und die andere Schwierigkeit war die mitunter sehr direkte Analogiebildung zwischen Gesellschaft einerseits und Individuum andererseits, oder auch zwischen dem Weltlauf und der Utopie in der Musik. Die Analogiebildung zwischen den gesellschaftlichen und musikalischen Elementen geht manchmal sehr schnell bei Adorno, und damit hatte ich auch meine Probleme.


D.: Ich finde die Interpretation Adornos gerade auch in bezug auf Mahler für mich sehr anregend, so daß ich weiter darüber nachdenken möchte. Meine Frage ist nun, ob eine solche Methode Objektivierung erlaubt. Ein zentraler Punkt zum Schluß der "Ästhetischen Theorie" ist der "Rätselcharakter der Kunst". Das Kunstwerk stellt uns vor Fragen wie: "Was bedeutet das", und dann vor die neue Frage: "Ist das Ding wahr oder falsch"? Adorno nennt bei Wagner solche Dinge und diagnostiziert sie entsprechend. Rätselcharakter heißt in einem Falle, daß wir die Fragen immer wieder beantworten müssen, daß wir die Antworten definitiv nicht haben. Demgegenüber stehen Versuche von Musikwissenschaftlern, so etwas wie den Gehalt bei Beethoven oder Mahler dingfest zu machen. Wenn ich es recht verstanden habe, kann man das Eggebrechtsche Mahlerbuch lesen auch als ein Anti-Adorno-Buch. Würden Sie dieser These zustimmen?


Döpke: So allgemein kann ich diese Frage nicht beantworten, weil partiell mich Eggebrecht mehr und partiell mich wiederum Adorno mehr überzeugt. Ich hatte an sich vor, die Eggebrechtsche Interpretation der Posthorn-Episode mit heranzuziehen und zwar gegen Adorno. Das habe ich aus Zeitgründen unterlassen.


D.: Ich kann dazu eine persönliche Erinnerung einbringen. Ich habe diese Episode gehört und meinte unterschwellig, daß da die Geigen den Kopf schütteln: so meine spontane Assoziation. Ich fange also an, mir diese Stelle aus der Partitur heraus noch einmal zu vergegenwärtigen. Ich habe sie aber nie gefunden.


Döpke: Was wollen SIe damit sagen?


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