- 33 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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34) Vgl. dazu: Jürgen Habermas, Theodor W. Adorno, 1. Ein philosophierender Intellektueller, in: Jürgen Habermas, Philosophisch-politische Profile, Frankfurt A. M. 1971, 177; ferner: ders.: Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt A. M. 1985, darin: Exkurs zur Einebnung des Gattungsunterschiedes zwischen Philosophie und Literatur, 219ff. zurück


35) Theodor W. Adorno, Versuch über Wagner, 155-159. zurück



Diskussion Feurich


D: Ist die Kritik Adornos an der Periodenhaftigkeit der Musik Wagners dann quasi aufgehoben, wenn Wagner vom Viertaktschema abgeht und sich "unregelmäßig" verhält? Ich bin nicht sicher, ob damit die Gravamina Adornos gegenüber Wagner gewissermaßen gegenstandslos würden.


Feurich: Adornos Kritik an der Periodenhaftigkeit erweist sich gegenüber der "musikalischen Prosa" ab Rheingold weitgehend als gegenstandslos. Der ihr zugrundeliegende allgemeinere Vorwurf der "abstrakten Schlagvorstellung", des entwicklungslosen Zeitverlaufes, wird damit allerdings nicht hinfällig, denn er läßt sich auch auf asymmetrische Taktgruppierungen beziehen.


Zu fragen wäre grundsätzlich, ob Adorno mit seinem Vorwurf der musikalischen Entwicklungslosigkeit an Wagners Werk nicht Normen heranträgt, die diesem unangemessen sind: Dies gilt nicht zuletzt für das Prinzip symphonischer Entwicklung. Wahrscheinlich hat Adorno sich dabei nicht nur von Beethoven, sondern auch von opernmusikalischen Vorbildern seiner Zeit, vor allem von der relativ autonomen Symphonik im "Wozzek" und der "Lulu" leiten lassen, in der er eine Übertragung der durchbrochenen Arbeit der Wiener Klassik auf die Oper sieht. Auf jeden Fall aber geht Adornos Kritik "von außen" zu Lasten des Versuches, Wagner vorrangig aufgrund der spezifischen operngeschichtlichen Bedingungen seiner Zeit bzw. vor dem Hintergrund seiner besonderen gattungsspezifischen Problemstellungen zu verstehen.


D: Wie ist der Zusammenhang zwischen geschichtsloser Natur des Menschen und Reklame/Ware zu verstehen?


Feurich: Diese Frage läßt sich vielleicht am besten in Analogie zum Marxschen Gedanken der Tauschwertprojektion beantworten: In einem polemisch angeführten Beispiel im "Kapital" weist Marx daraufhin, daß die scheinbar dingliche Werteigenschaft eines Diamanten nichts anderes ist als eine Projektion, die sich gegenüber der menschlichen Vorstellung verselbständigt hat. Der aus den geschichtlichen Produktionsverhältnissen heraus entstandene Tauschwert tritt dabei dem unbewußt Projizierenden als eine scheinbar naturhafte, dingliche Eigenschaft des Gegenstandes selber, hier des Diamanten, entgegen. Der gleiche Prozeß der Verdinglichung soll nach Adorno auch in den Illusionsbildern, den Phantasmagorien bei Wagner wirksam sein, die, nach seiner Überzeugung, sowohl hinsichtlich ihrer Machart wie auch ihrer Funktion dem Muster werblicher Produktbilder von Waren folgen.


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