- 129 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (128)Nächste Seite (130) Letzte Seite (186)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



wo ich durch Reich erfuhr, daß Sie unterrichtet sind. Nun wäre ein längeres Schweigen nicht mehr zu verantworten - am letzten ihm gegenüber ... Ich habe aber damals ... mich noch ans Versprechen zu schweigen gebunden geglaubt. Was ich nun tat, schien mir das einzig Mögliche. Ich meine den großen Aufsatz für die "23". Er ist allein für Sie geschrieben - und ist völlig doppelsinnig, vorausberechnet für den Fall, daß sie von der H.F. Sache hörten; und wie sehr ist die Idee solchen Doppelsinnes in seinem Geiste. Alle darin: die Stelle über die unverbrüchliche Einsamkeit, über das reale Dasein als Stoff fürs ästhetische über List, Treue, Treulosigkeit - all das hat nicht nur sein Wesen darstellen, sondern vorgreifend Ihnen sein Verhalten erklären wollen; nehmen Sie es nicht als Unbescheidenheit, wenn ich Sie bitte, den Aufsatz unter jenem Aspekt nochmals zu lesen. Ich weiß, daß manche an der `Indiskretion' des Aufsatzes Anstoß nahmen ...


Ich habe darüber nicht offen mit ihm geredet, aber die Art, in der er später über H.F. schwieg, ist deutlich genug. Es wäre - nochmals, im tiefen Ernst - nichts fälscher, als wenn Sie die gewissermaßen dramaturgische Beziehung zu H.F. so belasten wollten, daß sie auch nur in die Sphäre dringt, in der Sie mit Alban zusammengehörten ...


Dabei denke ich noch an etwas Konkretes: das Schicksal der "Lyrischen Suite"-Partitur. Man drängt Sie, diese, einem angeblichen Wunsch Albans folgend, H.F. zu geben. Ich möchte Ihnen, nach bestem Wissen und Gewissen, aufs dringendste abraten, das zu tun." 12)


Dieses wohlmeinende Schreiben löste Ablehnung und Verbitterung gegen ihn aus, wie Helene Bergs Kommentar zu Adornos Beitrag im Gedenkheft der Zeitschrift "23" für Alban Berg dokumentieren läßt (Vergl. S. 127).


Helene Bergs Stellungnahme zu allen weiteren Anfragen dieser Art (man vergleiche die Briefe an sie von Erwin Stein, der Universal Edition u.a.m.) war also von Anfang an geprägt. Sie verweigerte diesen Briefschreibern - egal wie nahe sie ihrem verstorbenen Gatten gestanden sein mochten - jeglichen Einblick in diese, in dem verhängnisvollen Brief Adornos so idyllisch formulierte "private Sphäre". So tief dürfte ihr Ekel vor solchen Anfragen gewesen sein, daß sie nicht nur jegliche Information verweigerte, sondern die Briefschreiber an ihren Irrtum weiter glauben ließ und sie tatsächlich "an der Nase" herumführte.


Ohne Adorno mitzuteilen, wie sie nach dem Erhalt seines Briefes vorging, nahm sie sofort mit Herrn und Frau Fuchs-Robetin Kontakt auf. Diese - wohl vom guten Ton geprägt - lehnten eine Schenkung der "Lyrischen Suite" sofort ab: "Liebe Helene, Hanna hat mir Deinen Brief übergeben. Ich anerkenne sehr Deinen guten Willen, den Wunsch des unvergeßlichen Toten dadurch zu erfüllen, daß Du mir das Manuskript der "Lyrischen Suite" unter gewißen Bedingungen übergeben willst.


Als Geschenk von Dir kann ich es aber selbstverständlich nicht annehmen u. bitte Dich daher ganz nach Deinem Gutdünken darüber zu verfügen.


Erste Seite (1) Vorherige Seite (128)Nächste Seite (130) Letzte Seite (186)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 129 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften