Lösung keine Rechenschritte. Man weiß z. B. das Ergebnis
von 9 × 9. Dies äußert sich in geringeren EMG-Werten (s. a. Louis William Max
1937). Charakteristische Anstiege der muskulären Aktivität in der Zunge und deren
graduelle Abschwächung sind nach Sokolov auch beim stillen Lesen eines Textes
recht ausgeprägt: Zunächst sind die Mikrobewegungen sehr intensiv und zahlreich,
später werden sie immer schwächer und treten weniger häufig auf, ohne jedoch
vollständig zu verschwinden. Für eine zunehmende Automatisierung motorischer
Bewegungen spricht auch, dass die elektrische Aktivität in der Muskulatur des
Stimmapparates bei Vorstellungen mit sprachlichem Inhalt bei Kindern beträchtlich
höher als bei Erwachsenen ausfällt (McGuigan et al. 1964; McGuigan & Pinkney
1971; Sokolov 1972). Bei Kindern mit besonders stark ausgeprägter Aktivität im
Stimmapparat beim Lesen verringert sich mit den Jahren und der damit einhergehenden
Verbesserung der Lesefähigkeit die Amplitude der verdeckten sprachmotorischen
Prozesse auf das Niveau eines gesunden Erwachsenen (McGuigan & Bailey 1969b).
Frank Joseph McGuigan (1970b) fand auch einen inversen Zusammenhang zwischen
motorischen Prozessen im Stimmapparat und den handschriftlichen Fähigkeiten
seiner Probanden. Gegen Sokolovs Automatisierungs-/Habituierungshypothese
spricht allerdings, dass die Zungenbewegungen bei Versuchspersonen, die zuvor
die Anweisung erhalten hatten einen Text zu lesen und diesen danach inhaltlich
wiederzugeben, im Zeitverlauf intensiver wurden und an Häufigkeit zunahmen
(Sokolov 1972). Ebenso zeigte sich in einer Studie von Louis William Max (1937) bei
längeren Lösungsphasen von Kopfrechenaufgaben, dass die EMG-Werte in der
zweiten Hälfte einer jeden Messung tendenziell höher als in der jeweils ersten Hälfte
ausfielen.
Der Vollständigkeit halber sei noch das Ergebnis einer Einzelfallstudie erwähnt, das
ebenfalls im Widerspruch zu A. N. Sokolovs Automatisierungshypothese steht:
Frank Joseph McGuigan und Madeline H. Shepperson (1971) erhöhten in einer
therapeutischen Maßnahme bei einem Kind die mit einem standardisierten Test
gemessene Lesekompetenz. Die von Zunge und Kinn abgeleiteten EMG-Werte
stiegen im Vergleich zum Pretest ebenfalls an. Dies ist der einzige – wenn auch
anekdotische – Hinweis darauf, dass die Verbesserung einer kognitiven Fähigkeit mit einer
Erhöhung der elektromyographischen Aktivität im Stimmapparat einhergeht. Alle
anderen hier vorgestellten Studien sprechen für einen inversen Zusammenhang
zwischen sprachbezogenen Fähigkeiten und elektromyographischer Aktivität in der
Sprechmuskulatur.
Abschließend sei noch auf die Möglichkeit verwiesen, dass motorische Prozesse im
Kehlkopf nicht in direktem Zusammenhang zu musikalischen Klangvorstellungen stehen.
Auch eine Veränderung der Atmung, Schluckbewegungen sowie die reflektorische
Verschlussfunktion der Stimmlippen zum Schutz der Atemwege vor Fremdkörpern wird über
die Kehlkopfmuskulatur gesteuert. Zudem werden die Kehlkopfmuskeln vom Nervus Vagus
innerviert, der z. B. auch eine Rolle bei der Regulierung der Herzfrequenz sowie
viszeraler Funktionen spielt (Birbaumer & Schmidt 2003). Außerdem besteht eine
Verbindung zum limbischen System, in dem Emotionen verarbeitet werden. Da in
mehreren Studien Einflüsse von Musik auf die Atem- und Herzfrequenz, Blutdruck
und Hautwiderstand festgestellt wurden (Übersicht in Rötter 2005), könnte man
auch argumentieren, dass es sich bei den Kehlkopfbewegungen
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