- 26 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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Um diese Aussage nicht im Sinne einer Erzeugung von Klangvorstellung durch muskuläre Aktivität misszuverstehen, ist es notwendig sich mit Sechenows Theorie näher zu befassen. Er fasste sprachliches Denken ähnlich wie später Jean Piaget (z. B. 1954) und Aleksei Nikolaevich Leont’ev (1958; 1959) als einen Entwicklungsprozess auf, in dem zuerst konkrete (objektive) Assoziationen gebildet werden, die dann nach und nach durch »verbale Symbolisierung« der Eindrücke immer komplexer werden. Nach seiner Theorie wird Denken von in peripheren (sensorischen) und zentralen (zerebralen) Nervenbahnen fortgeleiteten Reflexen begleitet, bei denen die äußeren Symptome, d. h. das sichtbare Verhalten unterdrückt werden. Vergleichbar zu Rudolph Hermann Lotze führte er aus, dass verschiedene sensorische Eindrücke durch den »Muskelsinn« (Kinästhesie) in eine komplexe Impression von Objekten integriert werden, wodurch eine Vorstellung der Wechselbeziehungen zwischen Objekten und Phänomenen in Raum und Zeit entsteht. Ivan Mikhailovich Sechenow (1965) illustrierte seine Theorien mit einem Beispiel der Entwicklung des sprachlichen Denkens im Kind, welches sich auch auf musikalische Vorstellungen übertragen ließe: Zuerst lernt das Kind seine Umwelt mittels verschiedenartiger Bewegungen verstehen. Diese werden im Geiste mit visuellen, taktilen, auditiven und anderen Eindrücken assoziiert. Wenn das Kind sprechen lernt, so entwickelt es die Fähigkeit diese Bewegungen zu kontrollieren. Es beginnt seine Gedanken in Worten auszudrücken (der Reflex beschränkt sich jetzt nur noch auf die Muskeln des Stimmapparates). In der Folge kann sich die Inhibition auch auf die Lautäußerungen ausweiten. Es kommt zur Subvokalisation, die von Bewegungen des Stimmapparates begleitet wird. Die Klangvorstellung der Worte ist assoziativ mit kinästhetischen Empfindungen verknüpft. Die motorischen Prozesse werden hier als Nebeneffekt bzw. notwendige Begleiterscheinung des Denkens aufgefasst. Dementsprechend könnten sie auch als Indikator mentaler Aktivität interpretiert werden.

In vielen physiologischen Untersuchungen sprachbezogener Vorstellungen fanden sich Belege, dass bei neuen, unerwarteten Reizen häufig vermehrte körperliche Reaktionen auftreten. Dies wird in der psychologischen Literatur gewöhnlich als Orientierungsreaktion oder -reflex bezeichnet. Das Nachlassen der körperlichen Reaktionen bei wiederholter oder andauernder Darbietung eines oder mehrerer Reize nennt man dagegen Gewöhnung oder Habituierung bzw. Habituation. Beide Phänomene wurden auch in den Studien von A. N. Sokolov (1972) nachgewiesen. Bei neuen, unvertrauten Aufgaben sowie beim Wechsel eines Aufgabentyps zeigte sich ein Anstieg der elektromyographischen Aktivität in der Sprechmuskulatur, die dann im Zeitverlauf der sprachbezogenen Vorstellungen wieder abnahm. Auch bei einer Messreihe mit mehreren Aufgaben desselben Typs (z. B. bei Multiplikationen oder Additionen ein- bis zweistelliger Zahlen) offenbarte sich nach einem anfänglichen Anstieg der EMG-Werte bei den darauf folgenden Aufgaben ein gradueller Rückgang der Muskelspannung. Nach Sokolov deutet eine Reduktion dieses Aktivitätsniveaus auf eine starke Vertrautheit mit den mentalen Operationen hin, d. h. der Automatisierung der Lösungen bzw. Lösungswege. Im Extremfall erfordert die


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