- 92 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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und Signifikat stehen dabei in keiner direkten Beziehung, sondern die Beziehung ist arbiträr gestaltet und aus der Konvention abgeleitet. Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt: Saussure wendet sich gegen die Vorstellung »das Zeichen wäre Stellvertreter der Sache selbst und verstünde sich rein sekundär und provisorisch als aufgeschobene Präsenz; [. . . ]. Saussures entscheidende Wendung bestand in der Abkopplung der Sprache von der außersprachlichen Realität. [. . . ] Die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens stellt sich nicht mehr als kompakte, für sich stehende Einheit dar, gefüllt und gestützt durch den außersprachlichen Referenten, sondern funktioniert als ein System von Gegensätzen und Differenzen, die die Zeichen untereinander zu einem System verbinden.« (Pross/Wildgruber 21997: 416). Saussure spricht von einem System der Verschiedenheiten, das die Sprache ist, »die Sprache enthält weder Vorstellungen noch Laute, die gegenüber dem sprachlichen System präexistent wären, sondern nur begriffliche und lautliche Verschiedenheiten, die sich aus dem System ergeben. Was ein Zeichen an Vorstellung oder Lautmaterial enthält, ist weniger wichtig als das, was in Gestalt der anderen Zeichen um dieses herum gelagert ist« (Saussure, zitiert nach Pross/Wildgruber 21997: 417). Derrida liest nun Saussure mit Saussure, wendet konsequent dessen Ansichten und Erkenntnisse auf ihn selbst (Saussure) an und macht dabei auf Brüche in dessen Argumentation aufmerksam. »Man wird nicht umhin können, Saussure mit sich selbst zu konfrontieren« (Derrida 31990: 91f.). Die Zeichenwelt ist zweiwertig und trägt nach Saussure die beiden Komponenten Signifikat (Sinn/Bedeutung) und Signifikant – als bloßen Träger des Sinns – in sich. In dieser Vorstellung aber gibt es schon ein dem metaphysischen Glauben respektive dem logozentrischen Denken geschuldetes Hierarchiegefälle, denn darin verbirgt sich der Gedanke, dass der Signifikant ein Signifikat (eine Evidenz also) repräsentiert. Danach gäbe es so etwas wie einen gegenwärtigen Sinn (»transzendentales Signifikat«). Die Welt der Zeichen differenziert so zwischen privilegiertem Signifikat und defizitären Signifikant mit der entsprechend schief gelagerten Innen/Außen-Hierarchie. Schon allein der Zeichenbegriff impliziert also, dass der Signifikant für etwas steht [aliquid stat pro aliquo] und setzt damit die metaphysische Tradition einer Sinnpräsenz fort. »Der Begriff des Zeichens impliziert schon die Unterscheidung zwischen Signifikat und Signifikant, selbst wo diese (Saussure zufolge) letzten Endes nichts anderes sind als die zwei Seiten ein und desselben Blattes. Unangetastet bleibt somit ihre Herkunft aus jenem Logozentrismus, der zugleich ein Phonozentrismus ist: absolute Nähe der Stimme zum Sein, der Stimme zum Sinn des Seins, der Stimme zur Idealität des Sinns. [. . . ] Die Differenz zwischen Signifikat und Signifikant gehört zutiefst in die Totalität jener großen, von der Geschichte der Metaphysik eingenommenen Epoche« (Derrida 31990: 25/27). So wird auf der einen Seite ein relationales System begründet, in dem Sinn sich aus der Konstellation der Elemente zueinender ergibt, und auf der anderen Seite zugleich die Idee eines für sich stehenden, unabhängigen manifesten Sinns transportiert. »Die Seite des Signifikats wird insofern nicht als eine Spur betrachtet, als sie immer noch ursprünglich von der Seite des Signifikanten unterschieden wird: eigentlich bedarf sie des Signifikanten nicht, um das zu sein, was sie ist« (Derrida 31990: 128). Das aber widerspricht Saussures Auffassung vom grundsätzlich binären Zeichen mit seinen gleichwertigen Seiten Signifikat/Signifikant. Die Abhängigkeit des Signifikanten vom unabhängigen Signifikat

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