andere Musik nach dem
Programm der »Autonomie« befragt, gesichtet und
danach beurteilt. Und das Modellprogramm, das zu Klangwelten ersonnen wird und
Autonomie geheißen wird, ist vom Augen-Blick stark affiziert. Mit anderen Worten: Die
sorgfältig aufgezeigten Zusammenhänge einer Musik sind dann Ergebnis der
Erstunterscheidung
autonomes Werk, die in die weiteren Untersuchungen hineinkopiert
und weiter ausdifferenziert und bestätigt wird, wobei in der Regel für die möglichen
Alternativen kein Blick und Sinn mehr entwickelt wird. Der
Eigenwert stabilisiert
sich.
Noch einmal soll zwecks Plausibilisierung auf das Umschlagbild alte Frau/junge Frau
bezogen werden. Obwohl beispielsweise mit Blick auf dieses Bild zu wissen ist, dass das
Bild mit einem Trick arbeitet und eine Alternative bereithält, fällt es sicherlich dem
einen oder anderen schwer, sich dieser alternativen Sichtweise zu öffnen. Zu
stark ist der Eindruck des einmal Erkannten, von dem schwer zu lösen ist.
Nun entspricht die rauschende Welt nicht nur einem schlichten Umschlagbild
mit bloß zwei Erscheinungsmöglichkeiten, sondern sie ist komplex, sodass die
Erscheinungen in alle möglichen Richtungen weisen können. Die Welt alternativ zu
betrachten gerät zu einem noch größeren Problem, wenn noch nicht einmal eine
Vorstellung davon zu haben ist, wonach zu suchen ist, in welche Richtung der
Perspektivwechsel auch noch erfolgen könnte, welcher Art die Alternative sein könnte.
Ersetzt man nun die vorgestellte Bildwelt junge Frau mit der traditionellen
Musikwelt der Werke, die So-und-nicht-anders begründet werden, und transformiert
die alte Frau in die Vielfalt möglicher Alternativen, zeigt sich, dass die sicher
geglaubte Musikwelt ein reines Konstrukt ist, geboren aus dem Wechselspiel
zwischen Kommunikation und Bewusstseinsstrom sowie gelenkt vom zentral
gewählten »Werkzeug der Beobachtung«: dem Augen-Blick. Die musikalische
Erscheinungsform ist so das Ergebnis der Anfangsunterscheidung und daran gemessen,
und nicht gemessen und bewertet an einer Form, die sui generis irgendwie existent
wäre.
Sofern der blinde Fleck der eigenen bezeichnenden Unterscheidungsleistung nicht im
Zuge einer weitergehenden Beobachtung (Beobachtung 2. Ordnung) in den Blick
genommen wird, kann ein innovativer Zug einem solchen Vorgehen nur im begrenzten
Maße innewohnen und auch die begrenzte Innovation erschöpft sich irgendwann, auch
deshalb, weil die Fragen, die man stellt, im gleichen Rahmen sich stets bewegen und
eine ungewöhnliche Wendung nicht vorsehen. Die Frage nach dem ›So‹ steht
zentral, der Frage nach dem ›Anderssein‹ bzw. nach der Alternative wird nicht
nur nicht nachgegangen, sondern vehement zurückgewiesen. Dabei wird dem
Phantasma der Möglichkeit einer innermusikalisch »richtigen« (logischen) und so
wahren Musik und weiter der Möglichkeit einer »richtigen« Auslegung gefolgt.
Entsprechende Beweisführungen sind ahistorisch geführt und ontologisch motiviert
– mit anderen Worten sind sie logisch, worauf ansonsten so viel Wert gelegt
wird, unbegründet, da sie allein im Glauben an eine – von allen weltlichen
Aspekten absehende – transzendente Wahrheit und Gültigkeit gründen. Und wo
man das Richtmaß transzendental apriorisch etwas niedriger hängt, wird die
eigene »europäisch« ausgerichtete musikalische Logik etwas unbescheiden gleich
universalistisch ausgerichtet und gedacht. Kulturelle Besonderheiten werden in dem
einen wie anderen