nicht der
Musik, sondern eines der bekannten zweideutigen
Vexier-/Umschlag- oder
Umkehrbilder,
bei denen jeweils das, was fokussiert wird, zur informativen Gestalt gerinnt, während
die hintergründige Umwelt als informationsloses Rauschen keine Beachtung
findet.
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Bsp.: Necker-Würfel, Albersche Treppe, Rubinsche Vase. Vgl.: Rock, Irvin: Wahrnehmung.
Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen. Heidelberg 1985, S. 102–104
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Wird dagegen dieser Hintergrund fokussiert, kristallisiert sich dort die Gestalt heraus
und das zuvor zur Gestalt Erhobene gerät zum Hintergrund. Fast ein jeder kennt
zumindest eines dieser Bilder und vielleicht auch das Umschlagbild
alte Frau/
junge Frau, das nur diese zwei Erscheinungsmöglichkeiten bietet. Ein Blick auf
das Bild lässt entweder die Information
junge Frau oder
alte Frau erkennen.
Nur unter Ausschluss der Alternative ist entweder
jung oder
alt zu erkennen,
aber
nie beides zum gleichen Zeitpunkt. Der Beobachter »entscheidet« also
darüber, was er sieht, wo er die Grenze zwischen Gestalt (Etwas) und Hintergrund
(Nicht-Etwas) zieht. »Etwas ist etwas durch sein Nicht-Etwas. Es ist nichts an seinem
Ort ohne das, wodurch der Ort definiert ist: durch den Nicht-Ort. Die Grenze
zwischen dem, was ein Beobachter als Ort oder Etwas bezeichnet und dem,
was es als Nicht-Ort oder Nicht-Etwas umgibt, ist damit der Ausdruck für die
Ordnungsnotwendigkeiten des Beobachters. Die Grenze ist nichts selbst – außer für
einen Beobachter« (Fuchs
2001a: 156). Die Entscheidung Figur ist nicht im
Bewusstsein der möglichen Alternative getroffen: Zu sehen im Bild ist immer nur
die eine oder andere Möglichkeit. Dabei ist das in dem ein wie anderen Falle
Ausgeschlossene zugleich aber eingeschlossen, da sich beide identifizierten Gestaltwelten
der gleichen rauschenden Materialwelt bedienen und diese sich nur jeweils im
Moment anders qualifiziert darstellt. Erkennen ist somit immer das Ergebnis einer
Handlung. Wenn der Beobachter mit Blick auf das Bild sich bspw. für die Gestalt
junge Frau entschieden hat, werden alle weiteren Beobachtungen (kleine Nase,
zierliches Ohr etc.) die Information
junge Frau zu bestätigen suchen und so die
erkannte Gestalt
beweisen wollen. Solange das funktioniert, besteht überhaupt
kein Grund an der Erstinformation zu zweifeln. So wird die (im Rahmen der
Musikwissenschaft durch das Auge bestimmte) Anfangsunterscheidung durch
alle Folgeoperationen durchdekliniert (systemtheoretisch gesprochen: das so
genannte »re-entry«). Und es hilft auch nicht, die Analysemethoden zu verfeinern,
denn für jede Wissenschaft gilt folgendes Axiom: »[J]a, je reiner sich bei ihr
das methodische Bewußtsein entwickelt, desto mehr tendiert sie dazu, das aus
dem Blick zu verlieren, was ihrer verfeinerten Methode fremd ist« (Hösle
1999:
9).
Der Beobachter ist praktisch blind für die Möglichkeit alte Frau, da ja jeder weitere
erbrachte Beweis die unterschiedene Information junge Frau bestätigt, sodass mit Niklas
Luhmann zu sagen ist: »Beobachten benutzt die eigene Unterscheidung als seinen
blinden Fleck. Es kann nur sehen, was es mit dieser Unterscheidung sehen kann. Es kann
nicht sehen, was es nicht sehen kann« (Luhmann 1992a: 85). Auch die Eingangsfrage
zum Buch »Kennen Sie [
]?« bezieht sich auf dieses Phänomen. Wer nur oft genug
mit [
] Bekanntschaft gemacht hat, wird für [
] kaum mehr einen rechten
Sinn entwickeln und einen solchen möglicherweise vorgestellten weit von sich
weisen.
Und nehmen wir auch das Motorrad vom Beginn noch einmal zu Hilfe und
unterstellen wir, dass das unidentifizierbare, komplexe Durcheinander dort die undurchschaubare