dem Schüler jenes
Wort und damit[
] gänzlich unbekannt, sodass [
] Gestalt annehmen
konnte.
Überführen wir phonetische Schrift ins Buchstäbliche, und ein jeder wird – sofern
nicht schon längst geschehen – sogleich das rechte Lautbild innerweltlich realisieren.
Jener Schulbuchtext beschäftigte sich mit Komponisten der Klassik, aber auch mit der
Person und so dem Dichter, Literaten und Wissenschaftler Goethe []. Keine
Irritation bzgl. des Klangbildes mehr: Lautbild (Signifikant) und Vorstellung (Signifikat)
korrespondieren: Goethe wird [], also ›Göte‹ gesprochen – wie auch anders – und
doch erklang aus einem Schülermunde ›Go–ethe‹ [], also ›Goäse‹, wobei der
Signifikant ›s‹ für das ›th‹ im Englischen steht und auch so auszusprechen
ist.
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| Goethe |
Goe-the
Go-ethe |
Konvention
Kontingenz |
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Auf meine Frage an den Schüler jener Klasse 8, wie er zu dieser Aussprache gekommen
sei, gab dieser zur Antwort, dass er im Englischunterricht gelernt habe, wie ein ›th‹
richtig auszusprechen sei und dass nach entsprechender Silbentrennung die zwei Silben
›Go‹ und ›ethe‹ vorlägen. Wer wollte da noch widersprechen? Hier war Gelerntes in der
Tat richtig angewendet worden. Mir als Lehrer oblag es nun, diese Betrachtung nicht
einfach zurückzuweisen oder als falsch zu klassifizieren, sondern die aus unserem
kulturellen Horizont gewachsene Betrachtungsweise daneben zu stellen und mit ihr
bekannt zu machen. So haben wir es mit zwei durchaus ›richtigen‹ Betrachtungsweisen
zu tun, von denen die eine gesellschaftlich internalisiert ist, während die andere einen –
wie auch immer gearteten – neuen Deutungshorizont offeriert, der Spannung
verheißt.
Obwohl die Musik der Klassik und nicht das Internet Unterrichtsgegenstand war,
ist doch der Berührungspunkt durch eben jenes [] zum Thema dieser
Arbeit ganz elementar gegeben, indem der mir so bekannte ›buchstäbliche‹
Signifikantenstrom auf gänzlich fremde und – so mag man vorschnell festhalten – so
falsche Art und Weise ›phonetische‹ Klangwirklichkeit wurde. Jener Schüler
hat sich seine eigenen Gedanken gemacht, indem er ihm Fremdes methodisch
geprüft und abgeglichen hat mit dem, was ihm bekannt war. Er hat so insgesamt
Fragen an das ihm Unbekannte gestellt, und das Ergebnis war eine Lösung, die
nicht ansatzweise falsch, sondern in sich logisch richtig und begründet war.
Jene Fragen, die hier gestellt worden sind, wären – einmal eingeführt in den
spezifischen kulturellen Kontext – nur nie gestellt worden, weil zufriedenstellende
Antworten längst vorliegen. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie schnell etwas als
»falsch« bezeichnet wird, nur weil es dem gängigen Betrachtungsschema nicht
genügt. Die Logik des Schülers hat auf eine andere, ebenfalls mögliche Lesart
aufmerksam gemacht, die kaum aufgedeckt worden wäre, wenn nicht mit intelligenter
Unbefangenheit aus einem anderen, jugendlichen Horizont heraus jene Lesart
logisch deduktiv erschlossen worden wäre. Ein Lernprozess setzt so auch auf
Seiten von Lehrenden ein, das Eigene mit fremden Blick zu betrachten und nicht
gleich zu antworten: ›richtig/falsch‹, sondern zu