(Cadenbach 1978: 88). Den letztgenannten Fall relativiert
Cadenbach aber sogleich wieder, da auch Improvisationen schallaufgezeichnet zu
werden vermögen, welche nach Cadenbach die weiteren von ihm angegebenen
Werk-Bedingungen nicht erfüllen. So klammert er diese aus, um »fürs erste den
Werkcharakter der
schriftlich fixierten Kompositionstypen zu betrachten« (ebd.: 89),
was die Partiturmusik mit fixiertem Anfang und Ende prominent setzt. So war
respektive ist noch ein Objekt zu erkunden und konnten und können Überzeugungen
gerinnen.
Damit eine solche Überzeugung aber sich konstituieren kann, bedarf es eines
spezifischen »Werkzeugs der Beobachtung«: Obwohl die Musik im Zentrum des
Interesses steht und das Ohr das privilegierte Organ zur Begutachtung und
Analyse zu sein scheint, ist als eigentliches Werkzeug der Beobachtung das Auge
ausgemacht. Und das zeitigt Konsequenzen. Mit der Objektivierung von Musik
auf Papier hatte in der Musik das Ohr dem Auge den Vortritt zu lassen, und
Musik wurde fortan analytisch nach Augenschein bemessen und beurteilt (vgl.
Schläbitz 1997: 111–133). Damit war auch im Bereich der Musik das Auge zum
dominanten Erkenntnisorgan – wie ganz allgemein in der europäischen Kultur (vgl.
Konersmann 1997) – geworden. »Mit einigen Ausnahmen, welche die Regel bestätigen,
lesen sich alle Erkenntnistheorien als Theorien des Visuellen, von dem in einem
nachgeordneten Schritt all das abgeleitet wird, was die anderen vier Sinne betrifft«
(Roesler 1999: 204). Musikwissenschaft ohnehin wie –pädagogik vertrauen mit den
Einschreibungen auf Notenlinien, wo es um das Hören geht, deshalb dem Auge,
weil dem Ohr nicht zu trauen ist. Zu erinnern sei nur an Adorno und an seine
prägnante Empfehlung an die Musikpädagogik, wie ein adäquates Hören nur zu
veranschlagen sei. Das Ideal der Musikpädagogik »wäre das adäquate, aber stumme
Lesen von Musik, so wie das Lesen der Sprache selbstverständlich ist. Dabei
wird vorab an die Fähigkeit des Partiturlesens zu denken sein« (Adorno 71991:
104).9
Zwar ist Adornos Empfehlung an die Musikpädagogik längst überholte Geschichte,
doch unbenommen dessen ist das Auge beim Qualifizieren von Musik sowohl in der
Musikwissenschaft als auch in der Musikpädagogik dominantes Erkenntnisorgan geblieben.
|
So wird das Prinzip einer mit Hilfe von Symbolen bebilderten Musik, einer
Augenmusik
vertreten mit der Folge: »Im Sehen gerinnt die Welt zu Objekten« (Welsch
1996: 249).
Sinnstiftungen sind so durch den Augensinn präformiert. Jeder Blick »läßt die
Gegenstände erstarren, versteinert sie«, wie Wolfgang Welsch schreibt, und
Versteinerungen schreiben sich apodiktisch, zumal der Blick sezierend zurückkehren kann
zum Gegenstand des Interesses, prüfend wiedererkennt und erneut objektiviert.
Und in der Tat ist es so, dass das Auge als distanzierendes Organ der Welt
analytisch begegnet und im fixierten Sichtbaren die Wirklichkeit der Welt vermutet
wird.
Diese Qualität zur Vergegenständlichung wurde in der Zeit als Mangel in den
bildenden Künsten empfunden, da ein vordergründig Fixiertes zu schnell und bequem
den Blick auf ein möglicherweise »Dahinterliegendes« verstellt. Die bildende Kunst
versuchte im Verlaufe ihrer Entwicklung daher der vordergründig scheinbaren Welt im
Abbild durch Abstraktion zu entgehen, um späterhin auch jene Technik zu
minimieren, was dem Bild dann allein die Leere ließ, die sodann Fülle verhieß. Mit
Dietmar Kamper wäre so zu sagen: »Ironie, je leerer, desto voller« (Kamper
1995: 44). Malewitsch bspw. weißes oder auch schwarzes Quadrat auf weißem
Grund ist Garant für Deutungsfülle. Der mit der Partitur eingeschlagene Weg
kann