- 47 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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irgendwie wäre oder Angemessenheit einem Sachverhalt oder Gegenstand gegenüber beweisen würde. Sie ist, wie sie ist und zurzeit die privilegierte Kommunikationsform, aber keineswegs die einzig mögliche, der zudem auch kein prinzipieller Vorrang vor anderen eingeräumt ist. Es wird beobachtet, wie beobachtet wird, und die Kommunikation geht ihren Weg, der zurzeit mehr fragmentarisch daherkommt. Aber »[a]uch Klassik ist ein Konstrukt von Beobachtern für Beobachter« (Luhmann 1995: 212) und nichts, was an sich Gültigkeit für sich reklamieren und einfordern könnte, so und nicht anders zu beobachten, sodass Kommunikation fortan immer auf dieselbe Weise irritiert würde und immer den gleichen Anschluss tätigte. Auf den kommenden Seiten wird nun hergeleitet, wie eine spezifische Kommunikationsform sich begründet, entwickelt und wie sie sich im Zuge der eigenen Beobachtungsleistungen gegen Fremdbetrachtungen abschottet.

Kommunikation gleicht einem Vexierbild, bei dem zu entscheiden ist, was zu beobachten gewollt ist: Entweder die Brüche und die Möglichkeit zum vernetzenden Anschluss (aktual dominierend) oder das in sich möglichst Stimmige an einem Ideal Gemessene (retrospektiv wie potentiell gegeben). Verkürzt gesprochen möchte ich die erste Kommunikationsform als fragmentarisch bzw. postmodern motiviert und die zweite als klassisch motiviert definiert sehen. Wie man also beobachtet und Kommunikation vorantreibt, ist eine Frage des motivierten Interesses und keine eines wie auch immer zu umreißenden Gegenstandes. Wer auf Vollkommenheit und das Ideal setzt, dessen Interesse mag aus dem spezifischen Horizont hergeleitet werden. So werden dann überzeitliche Formen angenommen, denen anzunähern die Menschenkunst nur bestrebt sein kann und die mit der Idealität nie deckungsgleich sein können. Mit dem vorgestellten überzeitlichen Ideal, das als Messlatte dient, ist das je Realisierte dann zu bewerten. Dabei wird – bildhaft gesprochen – das Material der Musik quasi in eine Form gegossen, und je nach dem, wie gut dabei gearbeitet wurde, entspricht die Materialformung annähernd der Idealvorstellung, ohne allerdings diesen Anspruch je ganz erfüllen zu können. Das ist das unaufhebbare Dilemma (oder auch Tröstliche) zwischen Idealität und Realität. Daraus ergibt sich dann die Notwendigkeit es erneut zu versuchen, und so gründet bspw. auch der Glauben an den Fortschritt in der Kunst und anderswo in der Annahme an eine vorbildhafte ideale Form, die so und nicht anders gegeben ist, die eines fernen Tages zu verwirklichen bzw. freizulegen ist. Der Wert der verwirklichten Kunst errechnet sich aus dem Abstand, der zwischen Realität und veranschlagter Idealität bestehen bleibt. Alle Musikwerdungen ihrer Zeit werden unter dieser Kommunikations- und Beobachtungsprämisse sodann an vorgestellten Formidealen gemessen, welche auf dem Weg zur – sagen wir – musikalischen Weltformel, aus der die Wahrheit spricht, auf Dauer zur Überwindung anstehen. Wo der Mensch in der Zeit noch irrt, bleibt das Ideal doch zeitlos unbeirrt in der Ewigkeit stehen. Das Gesagte bezieht sich auf das traditionelle metaphysische Denken der Präsenz, so der Bezug auf ein Zentrum und das heißt: auf ein Signifikat.

Die tradierte Hypothese, von der auch heute aus motiviertem Interesse heraus zuweilen ausgegangen wird, lautet demnach auch: Es gibt »Werke«, was nach wie vor im Feld von Wahrheitssuchenden und dabei immer wieder unter obligatorisch Irrenden (das ist menschlich) eine starke These ist. Betrachten wir im Folgenden, wie eine solche Vorstellung sich kommunikativ verfestigen kann: Die Reflexion


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