ist, im
französischen Raum als Romantiker – als Ausdruckskomponist – wahrgenommen wird«
(Mahnkopf
1998: 32). Steht in dem einen Sprachraum die Konstruktion im Vordergrund,
so im anderen das Gefühl. Über die große Fuge für Streichquartett op. 133 führt
Mahnkopf
dann weiter aus: »Dabei dient jede angewandte Technik und jede
technisch entschlüsselte Eigenschaft der ästhetischen Erfahrung subjektiver
Expressivität. [. . . ] Die Fuge, bislang die ›objektive‹ Gattung schlechthin, wird
von Beethoven in einem entscheidenden historischen Augenblick subjektiviert,
ohne an Objektivität einzubüßen« (ebd.: 33f.). So entsteht höchst komplexe,
interessante Musik, die geistigen Strömungen folgt und ein Kind ihrer Zeit
ist, was der Genialität keinen Abbruch, doch sie in weltliche Sphären wieder
überführt.
Halten wir fest: Eine Ewigkeitswerke unterstellende Betrachtungsweise ist das Kind
eines Weltbildes, das in der Zeit geboren wurde und seine Zeit hatte, aus der heraus es
formuliert werden konnte. Insofern hatte die Idee Werk und/oder die der autonomen
Musik ihre Plausibilität und auch ihre berechtigte, zeitbegrenzte Relevanz. Indem man
eine zeitgebundene Einsicht über aller Zeiten und Weltbilder erstreckt, werden aber
Differenzen unter ein unzulässiges Einheitsdiktat gezwungen, da ein Ideal, auf das
bezogen wird, unterstellt wird und die Bedingungen, unter denen ein solches einst
postuliert wurde, nicht mehr hinreichend reflektiert werden. Aus diesem kommunikativen
Horizont heraus wird auch die Neutralität vorgebende Musikanalyse, die akklamiert,
hergeleitet. Neutralität, so dürfte aber einsichtig sein, ist dem blinden Fleck der eigenen
Geschichtlichkeit und den daraus entworfenen Deutungspraxen geschuldet und real nicht
vorhanden.
Ausgeschlossen ist somit nicht, dass späterhin im Zuge einer Vergegenwärtigung –
herleitend aus denselben Ergebnissen – eine andere Position bezogen und auch bei aller
Klassizität ein anderes Werturteil ausgesprochen werden kann. Ewigkeit ist stets ein aus
der Gegenwart verliehenes Etikett, das rückwirkend Anerkennung (durch Einzug ins
Museum, durch das Werturteil: klassisch) ausspricht, für die Zukunft (bezogen auf neue
Stilformen) aber nicht zwingend Wertschätzung einfordern kann. Das Werk, das im 19.
Jahrhundert seine Hochzeit und seinen so ausgerichteten kommunikativen Ort hatte,
wird im 21. Jahrhundert aber weithin anders – fragmentarisch – zeitgemäß
kommuniziert.
2.8. Ein Werk entsteht – Werkzeuge der Beobachtung
»Ursprünglich war die abendländische Kultur gar nicht eine Kultur
des Sehens, sondern des Hörens. [...] Die griechische Gesellschaft
war anfänglich vom Hören bestimmt. Zu einem Primat des Sehens
ist es dann erst an der Wende zum fünften vorchristlichen
Jahrhundert gekommen [...]. So erklärte Heraklit, daß die Augen
›genauere Zeugen‹ seien ›als die Ohren‹«
(Wolfgang Welsch 1996:236f.).
Kommunikation im 19. Jahrhundert verfährt anders als Kommunikation im 21.
Jahrhundert. In dem einen wie anderen Fall operiert Kommunikation unter einer
bestimmten Beobachtungsprämisse. Eine mehr fragmentarische Kommunikation, wie sie
für die Gegenwart konstatiert wird, ist ein reines Konstrukt und nichts, was