Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt
aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern« (Goethe
1998b: 98). Die menschlichen Eigenschaften, harmonisch verbunden, sehen – wie
Goethe
in einem Aufsatz zu Winckelmann
schreibt – dann das Vollkommene. Das
Ergebnis – so kommen wir auf das Eingangszitat zu sprechen – und »das letzte
Produkt der sich immer steigernden Natur ist der schöne Mensch« (ebd.: 102). Die
Problematik erweist sich darin, dass die Natur den »schönen Menschen« in seiner
Vollkommenheit »nur selten hervorbringen [kann], weil ihren Ideen gar viele
Bedingungen widerstreben, und selbst ihrer Allmacht ist es unmöglich, lange im
Vollkommenen zu verweilen und dem Hervorgebrachten Schönen eine Dauer zu geben«
(ebd.: 102f.). So ist es denn nur ein »Augenblick, in welchem der schöne Mensch
schön sei« (ebd.: 103). Hier nun ist es dem Kunstwerk gegeben, dem flüchtigen
Augenblick Dauer zu verleihen, wobei der Mensch als »Gipfel der Natur« das
Naturwerk darin übersteigt. »Dazu steigert er sich, indem er sich mit allen
Vollkommenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl, Ordnung, Harmonie und
Bedeutung aufruft und sich endlich zur Produktion des Kunstwerkes erhebt,
[. . . ]. Ist es einmal hervorgebracht, steht es in seiner idealen Wirklichkeit vor
der Welt, so bringt es eine dauernde Wirkung« (ebd.: 103). Endlich ist der
vormalige unzulängliche Augenblick zur Dauer und Ewigkeit erhoben und die
Vermögen in Einklang gebracht. »[I]ndem es aus den gesamten Kräften sich geistig
entwickelt, so nimmt es alles Herrliche, Verehrungs- und Liebenswürdige in sich auf
und erhebt, indem es die menschliche Gestalt beseelt, den Menschen über sich
selbst« (ebd.). Der Mensch erweist sich als göttergleich, erhält götterähnlichen
Status. »Der Gott war zum Menschen geworden, um den Menschen zum Gott zu
erheben« (ebd.). Im harmonischen Kunstwerk verwirklicht sich der Mensch, der
Augenblick ist in der Dauer aufgehoben, die allgemeine Regel mit dem Individuellen
versöhnt.
Schiller verfolgte ebenso den Traum, die Vermögen von Vernunft und Sinnlichkeit in der
schönen Kunst als lebende Gestalt aufgehen zu lassen, um der Menschwerdung zu
dienen. Kunst war Leben, da die Natur der Sinne daran Gefallen fanden, und
Kunst war Gestalt, da die Vernunft sich gleichsam in der Kunst aufgehoben
sah. Beides im Gleichklang war – wie Schiller befand – nur im Schönen zu
finden. In dem Ausgleich der Differenzen ist die Einmaligkeit (von Werken) dann
begründet, denn im Ausgleich liegt die mit sich selbst im Einklang stehende
Identität, und damit ist der Zugang zur Wahrheit begründet. So soll der Mensch an
der Kunst, die sich auf ein »wahres« Zentrum hin bewegt, sich bilden und
genesen.
Beethoven bspw. gilt daher auch nicht von ungefähr als Komponist, in dessen Musik,
die dem schillerschen Ideal wohl am nächsten stand, Konstruktion und Ausdruck ein
ausgewogenes Verhältnis fanden. »Es ist bezeichnend, daß Beethoven, der den Deutschen
der ›Klassiker‹ schlechthin – als Instanz kompositorischer Vorbildlichkeit –