auf Differenz, was das menschliche Moment in sich trägt (Andersartigkeit und
Neuigkeit). Die Folge ist oft eine »Reformulierung der Einheit des Vorgängerstils ohne
Rücksicht auf das, was für diesen wichtig und zugänglich gewesen war« (Luhmann
1995:
211). Ein solches Vorgehen und das Abstand nehmen zu Vorgängerstilen mindert
zunächst die Gefahr zur kritiklosen Kanonisierung, denn eine solche sowie eine
Auratisierung verdecken auf Dauer eines: »Langeweile schleicht sich ein« (Luhmann
1986: 629). Das Bewusstsein für Stil, der sich von Zeit zu Zeit verändert und daraus
seine Wertschätzung erhält, ist kommunikativ gepflegt, ist aus dem System der
Kunst kommunikativ geschöpft, das bestimmt, was variant und invariant ist
sowie lose und feste Kopplungen miteinander verknüpft. Mit der Rückwendung
zur Antike und dem Programm von Winckelmann
zur Nachahmung wurde
Kunstgeschichte, die bis dahin mit dem Sammeln von Artefakten und Erschließen von
Künstlerbiographien beschäftigt war, zur Stilgeschichte, die übriggebliebene und
wiederentdeckte Stückwerke gewissenhaft analysierte, ästhetisch würdigte und in der
Zeit verankerte.
Temporalisierter Stil auf der einen Seite evoziert Zeitlosigkeit in Gestalt des
Klassischen und des Musealen. Mit einer Stilgeschichte beginnen Werke zu altern,
können klassisch und zum zeitlosen Vorbild werden, es werden zugleich aber auch neue
Stile begründet. »Die Form Stil verarbeit den Neuerungsdruck und mit ihm die
Temporalität aller Formen – mit heimlichen Seitenblick auf ein ewiges Leben nach dem
Ende der eigenen Zeit. Die Form Museum und die Form Klassik leben davon, daß sie
dem Stilwandel standhalten und gerade darin ihren eigenen Sinn haben« (Luhmann
1995: 213). Auf diese Weise – auch mit Rückgriff auf die eigene Sterblichkeit und dem
menschlichen verständlichen Wunsch ein bleibendes, individuelles Zeitzeichen zu setzen –
wurde Überzeitlichkeit praktisch installiert. »Das Fundament humanistischer
Traditionsbildung schuf eine neue Norm: die Norm des Klassischen. Diese Norm
unterscheidet sich von der Norm der Heiligen, der Norm des Gesetzes und der Norm der
autoritativen Wahrheit. Ihre besondere Bindungskraft beruht auf ästhetischer
Qualität, d.h. auf der zwingenden Evidenz des Vollkommenen« (Assmann 1999:
116). So werden menschliche Leistungen und Werke wieder mit überzeitlichen
Vorstellungen verbunden, die als ästhetisch geformte und auf Hochglanz gehaltene
Pfeiler dem Fluss des Werdens widerstehen. »[D]as Merkmal des Klassischen ist
die Affirmation von Gleichzeitigkeit bei manifest gewordener Nachzeitigkeit«
(ebd.: 118). Aus der zeitlichen Distanz sind die Erzeugnisse der Vergangenheit
betrachtet, wobei der »Faktor Zeit« ausgefiltert wird und zugleich eine Spannung
von »Identität in der Alterität, der Nähe im Fernen«, was dem Klassischen
inhärent ist, erzeugt wird (ebd.: 118). Indem das Interesse dem Vergangenen,
einer abgeschlossenen, ja toten Sache gilt, über die der zeitbedingte Wandel
hinweggegangen ist, sind klassische, dauerhafte Werke inauguriert, denen mit
Hochachtung begegnet wird. Eine Präsenz des Klassischen ist gerade dann
festzustellen, wenn es zeitbedingt dem Zugriff entzogen ist und nur über das
Supplement (Schrift-, Notenzeichen, Baudenkmäler) gewonnen werden kann. So setzt
das Ewige auf das Verstorbene, ist zum Zwecke dauerhaften »Seins« auf das
»Nicht-Sein«, dessen Absenz zwingend angewiesen. Es wird eine Gesprächskultur
mit den stummen Zeichen gepflegt, diese mit Geist und Fantasie gefüllt und
wiederbelebt. Werke können auf diese Weise im »Nicht-Sein« gedeihen und
zeitlos scheinen und