Orte sich organisieren, und sie andererseits durch die
räumliche Trennung während der Rezeption nicht mehr so leicht zur Rechenschaft
gezogen werden können. Die eigene körperliche Unversehrtheit ist nicht mehr gleich
riskiert, wenn Ideen an anderen Orten Unmut unter Mächtigen erzeugen, die die eigene
Meinung absolut setzen und bei Widerspruch diese weniger durch das argumentative
Wort, sondern durch Folter und Strafe durchsetzen und vertreten mögen. »[M]an kann
nicht mehr feststellen, ob und wozu eine Kommunikation motiviert hatte« (Luhmann
1997: 203). Der Archivierung des Wissens der Vergangenheit und der leichten
Distribution wie Konsumtion entspringen der Impuls und das Motiv zur Neuerung
und Produktion. »[D]er Buchdruck erzwingt eine Präferenz für Neues« (ebd.:
996). Seitdem wird die Abweichung als solche und für sich geschätzt, wo zuvor
auftretende Abweichungen im Kontext zu vermittelnder Botschaften wesentlich nur
goutiert wurden. Stil, der zuvor auf eine vorgängige kanonische Rangordnung
rekurriert, wird auf sich selbst die Regeln gebend nunmehr bezogen. »Erst
seit Winckelmann
wird der auf ›Schrift‹, Manier, Darstellungsart, also auf
Sachunterschiede bezogene Stilbegriff zusätzlich in der Zeitdimension verankert
und für das Erkennen (und dann gleich auch: für das Bewirken) historischer
Unterschiede in Anspruch genommen« (Luhmann
1995: 211). Ein Bewusstsein
für abweichende »Stilformen« wird ausgeprägt und gepflegt. Das bedarf des
ergänzenden Kommentars, denn auch Wickelmann bezieht sich in seinen Studien
über die griechische Antike auf den »alten Freund« Platon (Winckelmann
) und
dessen Ideenlehre – also auf unterstellte überzeitliche Ideen. In seiner Erstauflage
der »Geschichte der Kunst« heißt es so auch: »Die höchste Schönheit [. . . ]
ist in Gott, und der Begriff der menschlichen Schönheit wird vollkommen, je
gemäßer und übereinstimmender derselbe mit dem höchsten Wesen kann gedacht
werden, welches uns der Begriff der Einheit und der Unteilbarkeit von der Materie
unterscheidet. Dieser Begriff der Schönheit ist wie [. . . ] ein Geist, welcher sich sucht ein
Geschöpf zu zeugen nach dem Ebenbilde der in dem Verstande der Gottheit
entworfenen ersten vernünftigen Kreatur« (Winckelmann
, zitiert nach: Merker
1982: 126). Ein metaphysisches Programm, kommentiert Merker, bei dem die
Idee der Schönheit als »Idee platonischer Prägung« gesetzt wird (Merker; ebd.:
126).
In der Darstellung des einzelnen Werkes allerdings bezieht Winckelmann sich nicht
(allein) auf die transzendent verortete universelle Idee, von der aus das Werk
qualifiziert wird, sondern zugleich auf eine sinnliche wie faktische Ebene, die
»Einbettung des Kunstwerkes in eine vor allem geschichtliche Wirklichkeit«
(ebd.: 128) mit der Folge, dass die Beispielhaftigkeit der griechischen Kunst »als
Produkt eines glücklichen Zusammentreffens physisch-natürlicher (Milde des
Mittelmeerklimas und ethnische Merkmale der Griechen), kultureller (gemeinschaftliche
Erziehung und ethische Humanität) und vor allem politischer Bedingungen
(demokratische Verfassung der polis, deren geistige Freiheit die Denkart der Griechen
beeinflußte)« erklärt wird (ebd.: 127). So kommt Winckelmann das Verdienst zu, »die
Stilgesetzlichkeit der Kunst erkannt und den Zusammenhang von Kunstwerk und
Volksstil begründet« zu haben (Kultermann 1987: 99). Werk ist danach eine
Kopplung von Stilelementen auf Zeit und trotz Bezug auf zugleich losgelöst vom
Idealismus.
Ein spezifischer Stil basiert einerseits auf Ähnlichkeit mit Rückbezug auf ein
allgemeines Prinzip (ohne eine solche auch kein wiedererkennbarer Stil) und andererseits